Rechtsextremismus: Gedenken nach Mord von Rechtsextremen
Vor zehn Jahren wurde Dieter Eich von rechten Jugendlichen ermordet. Das Gericht sah die Tat damals nicht als politisch an. Nun mobilisieren Antifagruppen zu einer Gedenkdemonstration.
Antifagruppen rufen für Samstag zu einer Gedenkdemonstration für Dieter Eich auf. Der 60-Jährige war im Jahr 2000 in seiner Wohnung von vier rechtsextremen Jugendlichen ermordet worden. Das Gericht stellte damals keine politische Tat fest.
Während des Prozesses schilderten die Angeklagten den Tathergang: Zunächst seien sie in Eichs Wohnung eingedrungen, um "einen Assi aufzuklatschen". Dabei hätten sie ihm mit Springerstiefeln in Gesicht und Magen getreten. Nach dem Verlassen der Wohnung seien sie kurz darauf wieder mit dem Tötungsvorsatz zurückgekehrt - aus Angst vor einer Anzeige. Eine Verbindung mit der rechtsextremen Szene hatten die vier Täter bereits im Verlauf der polizeilichen Vernehmung angegeben. Das Landgericht verurteilte sie wegen Mordes zu 5 bis 13 Jahren Haft. Der 18-Jährige, der den tödlichen Stich ausführte, wurde nach Jugendstrafrecht zu acht Jahren Haft verurteilt.
Vor allem Antifagruppen kritisierten das Urteil, da das Gericht den Fall nicht als politisch motiviert eingestuft hatte. Lediglich der Vorsitzende Richter erwähnte die Verbindung zu dem damals stadtbekannten Neonazi Arnulf Priem, dessen Anwalt die vier Jugendlichen verteidigte. Nur das "Aufklatschen" sah das Gericht als politisch motiviert an. Der Mord sei aus reiner Angst vor einer Anzeige geschehen. Eine rechtsextreme Motivation zumindest eines Täters wurde allerdings während der Untersuchungshaft deutlich: So schrieb er seiner Freundin: "Ich wollte mich vor den Kameraden profilieren, um in der rechten Szene aufgenommen zu werden."
Antifagruppen kritisieren, dass durch derartige Urteile bewusst rechte Gesinnungen übergangen werden sollten. Sabine Seyb von ReachOut, einer Beratungsstelle für Opfer rechter Gewalt, bedauert, dass das Rechtssystem oft nicht "den Willen und die Sensibilität aufbringt, rechte Gewalt zu erkennen".
Die Veranstalter der Gedenkdemonstration erwarten bis zu 500 Teilnehmer.
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