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Rechtsextremismus und StaatsdienstKeine Macht für Extremisten

Gastkommentar von Andreas Gran

Der Vorstoß Faesers gegen beamtete Rechtsextremisten ist völlig richtig. Eine Demokratie muss sich selbst schützen dürfen.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser will keine Extremisten im Dienste des Staates Foto: Michele Tantussi/reuters

D emokratie ist nichts für Machtverliebte, auch wenn die Verlockung für manche Menschen groß sein mag, sich als „Obrigkeit“ über andere zu stellen. Nur wer bereit ist, die eigene Machtausübung auch kontrollieren zu lassen, verdient es, dass sie ihm anvertraut wird. Wer sie nur nutzt, um diese Grundlage demokratisch kontrollierter Macht zu überwinden, sollte frühzeitig von den Schalthebeln der Macht entfernt werden. Es darf keine Toleranz gegenüber der Intoleranz geben.

Auf Initiative von Nancy Faeser soll das Disziplinarrecht so verändert werden, dass Extremisten im Staatsdienst schneller ihre staatlichen Befugnisse verlieren können. Innerhalb der Verwaltung sollen ohne den Umweg über die Verwaltungsgerichte Maßnahmen möglich werden. Dies ist derzeit besonders wichtig, da die Verwaltungsgerichtsbarkeit immens belastet ist.

Insbesondere geht es darum, rechtsextremistischen Bestrebungen nicht quasi Tür und Tor zu öffnen. Dieses Vorgehen erscheint nur auf den ersten Blick paradox, denn es wird eine autoritäre Handhabe gegen diejenigen befürwortet, die besonders autoritäre und autokratische Strukturen durchsetzen wollen. In der Tat erscheint es als Dilemma, dass der demokratische Staat selbst zu autoritären Mitteln greifen muss, um sich zu schützen.

Tatsächlich ist dies auch besonders sensibel, wenn der Grundsatz der Gewaltenteilung eingeschränkt wird. Allein: Wer demokratiestaatliche Kompetenz erlangen will, ist besonders kritisch zu betrachten. Da unser Rechtsstaat auf einer konkreten moralischen Gesellschaftsanschauung basiert, muss sich solch strengeren Maßstab gefallen lassen, wer Macht anvertraut bekommen will, denn sonst wiederholt sich, was in der Weimarer Republik zum Ende der Demokratie geführt hat.

Dem Argument von Rechtsextremisten, es sei intolerant und geradezu undemokratisch, wenn gegen sie vorgegangen werde, ist zu entgegnen: Nein, dieser Rechtsstaat basiert auf konkreten Wertvorstellungen – vor allem Menschenwürde –, und wer diese nicht teilt, darf keine Macht innehaben!

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8 Kommentare

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  • Wer weniger Extremisten will muss emotionale Verwahrlosung in der Kindheit verringern.

  • Wir sind in Deutschland noch sehr weit davon entfernt: Yazy Almiah wurde nur 44 Jahre alt. Die sechsfache Mutter wurde Opfer eines Brandanschlags in Berlin-Pankow in der Nacht vom 25. Januar auf den 26. Januar. Sie erlitt Verletzungen und verstarb dann am 10. Februar auf der Intensivstation des Charité-Krankenhauses.

    Auf ihr Wohnhaus, in dem ausschließlich Geflüchtete leben, wurde ein Brandanschlag verübt. Ihre Familie wurde in Folge dessen von den Behörden alleingelassen. Ihr Ehemann und ihre sechs Kinder, die alle noch minderjährig sind, haben sie allein begraben müssen. In dem Brand verloren sie den Großteil ihres Hab und Guts. Ihr Erspartes brannte ab. Sie müssen den Horror jeden Tag in ihrer immer noch durch den Rauch verseuchten, unbewohnbaren Wohnung durchleben.

    Niemand von der Stadt Berlin oder aus der Politik meldete sich bei der Familie. Niemand zeigte öffentlich Solidarität, kein einziges Medium berichtete über ihren Tod. Dabei hätte ein Brandanschlag mit Todesfolge auf ein Haus, in dem nur Geflüchtete leben, mindestens kritisch begleitet werden müssen. Denn der Verdacht liegt nah, dass es sich um einen rassistisch motivierten Terrorakt handeln könnte. Die Verstorbene machte in der Vergangenheit laut ihrer Familie Erfahrungen mit Rassisten in ihrer Umgebung.

    Yazi Almiah war eine liebende Mutter und Ehefrau, die alles tat, um ihre Familie in Sicherheit vor dem Krieg in Syrien zu bringen.



    Berlin und Deutschland müssen ihre Ignoranz beenden und der Familie helfen, sowie solche Brandanschläge mit Todesfolge ernst nehmen. Die Familie braucht eine neue Wohnung und professionelle Begleitung. Es ist ein skandalöses und beschämendes Versagen, dass sich rein niemand bei ihnen meldete. Behörden und Politik müssen jetzt handeln!

  • Gute Nachrichten!



    Es ist gut, dass der Staat gegen Rechts vorgeht.



    Wer gegen den demokratischen Staat arbeitet, darf dafür nicht vom Steuerzahler finanziert werden.



    Wer für ein System rechts der Demokratie eintritt, kann kein Staatsbediensteten sein.

  • Faeser.

    Rechtsextreme bei den Islamisten übersieht sie gern.

    Sascha Lobo im Spiegel: "Substanzielle Teile des deutschen Linksbürgertums bringen zu viel Verständnis für Islamismus und deren Protagonisten im In- und Ausland auf. Nicht nur, aber auch deshalb konnten die türkischen Grauen Wölfe zur größten rechtsextremen Bewegung in Deutschland werden mit mutmaßlich fast 20.000 Anhängern".

    Das war vor zwei Jahren. Längst liest man von 30.000 Mitgliedern.

    Und das ist ja nun wahrhaftig nicht der einzige rechtsextreme Verband aus der Richtung.

    Wäre doch ganz schön, wenn Faeser ihren Tunnelblick ein wenig erweitern könnte.

    www.spiegel.de/net...-b2c1-823496130edd

    • @shantivanille:

      Der Innenministerin Tatenlosigkeit vorzuwerfen, ist an den Haaren herbeigezogen.



      Frau Faeser ist eines der aktivsten Mitglieder im Kabinett.



      Ich stelle die Problematik der grauen Wölfe nicht infrage, allerdings hat es im Vergangenen Jahr auch noch so ein, zwei andere Baustellen gegeben, bei der die Bundesinnenministerin eingreifen musste.

  • Der Radikalenerlass hat schon viele unschuldige Opfer erzeugt, auch dieses Vorgehen ist kontraproduktiv. Disziplinarmaßnahmen sollen per behördlicher Verfügung durchgeführt werden. Der Vorgesetzte entfernt unliebsame Mitarbeiter und diese müssen sich ohne Bezüge über den Gerichtsweg auf ihren Arbeitsplatz wieder einklagen und beweisen, was sie nicht sind. Der rechtsradikale Vorgesetzte wird da seine Leute schon auf Vordermann bringen.



    Der demokratische Weg ist es die Verwaltungsgerichtsbarkeit zu entlasten, aufzustocken und handlungsfähiger zu machen. Ausgezahlte Bezüge müssen zurückbezahlt werden bei einer Verurteilung.

    • @Arne M:

      "Der Radikalenerlass hat schon viele unschuldige Opfer erzeugt"

      Ja, auf der Linken. Wir hatten seit Gründung der BRD drei große antikommunistische Säuberungswellen, erst rund ums KPD-Verbot unter Adenauer, dann eben beim Radikalenerlass und wenn sie die Aufarbeitung der DDR mit der des NS-Unrechts vergleichen, werden Sie vielleicht auch eine gewisse Schieflage zu Ungunsten der Realsozialisten feststellen, weil die 800 Mauertoten in der Sonntagsrede mit ihrer Wendung von "den beiden deutschen Diktaturen" implizit so schwer zu wiegen haben wie die 6 Millionen ermordeten Jüdinnen und Juden, die 3 Millionen systematisch verheizten sowjetischen Kriegsgefangene, die mehrere dutzend Millionen Kriegstoten und all die anderen Opfern der Naziherrschaft, deren Täter nach dem krachenden Scheitern ihrer Ideologie so überreichlich mit Persilscheinen und der Wiederaufnahme in die beste Gesellschaft beschenkt wurden und deren faschistischer Verfolgungswahn bei zahlreichen Gruppen, Queers, Sinti und Roma, Obdachlosen, Menschen mit Behinderung und Linskradikalen, nach dem Krieg munter weiter wüten durfte in diesem unserem Staatsgebilde.

      Wenn man den Staatsdienst wieder und wieder von allem säubert, was im Verdacht des Linksradikalismus steht, aber auf der anderen Seite Kontinuitäten seit 1933 akzeptiert, dann hat man irgendwann Behörden, in denen Rechtsextremen eben nicht "Tür und Tor geöffnet" werden, wie es im Artikel heißt, sondern in denen rechte Seilschaften das Fundament ganzer Behörden bilden wie bei der Organisation Gehlen und dem, was aus ihr geworden ist.

      Dieses jahrzehntelange Versäumnis, dieser grundlegende Schaden der durch ihre postfaschistische Natur entstellten BRD muss endlich bereinigt werden und das wird nicht mit dem Samthandschuh gehen.

      Der einzige Fehler ist hier, dass man, wie immer im Liberalismus, eben nicht ausdrücklich gegen die Rechten vorgeht, sondern vom Radikalismus allgemein spricht, als sei ernsthaft jede Form von Extremismus gleichzusetzen.

    • @Arne M:

      Also bin ich nicht der einzige, der an den Radikalenerlass dachte beim lesen dieses Kommentars. Ich bin voll und ganz auf Ihrer Seite.