Rechtsextremes Neonazi-Netzwerk: „Blood & Honour“ offiziell wieder da
Schon vor Jahren wurde das Netzwerk verboten, doch Neonazis hielten das Label weiter aufrecht. Nun gehen Ermittler dagegen vor.
Insgesamt zwölf Personen wurden durchsucht, neben Thüringen auch in Bayern, Baden-Württemberg, Hessen und Sachsen-Anhalt. Vier Männer wurden festgenommen, darunter Sven B. Sie hätten versucht, eine neue „Verwaltungsstruktur“ für Blood & Honour in Deutschland aufzubauen, mit Sektionen in Bayern, Baden-Württemberg, Thüringen und „Mitteldeutschland“, so die Generalstaatsanwaltschaft München. Über die Marke sollte erneut „rechtsextremistisches Gedankengut“ verbreitet werden.
Auch wenn der Einsatz einige Tage zurückliegt, beschäftigt er die Politik noch immer. Denn Blood & Honour wurde bereits 2000 verboten – und noch im September beteuerte die Bundesregierung, es gebe keine Wiederbetätigung. Nun aber rückte die Polizei genau deshalb aus.
Sie sei schon etwas überrascht, sagt die Linken-Innenexpertin Martina Renner. Seien die Behörden bei Blood & Honour zuletzt durch „jahrelange Untätigkeit und Verharmlosung“ aufgefallen. Auch die Grünen-Innenpolitikerin Irene Mihalic nennt es „erstaunlich“, dass die Bundesregierung keine Wiederbetätigung sah – trotz „wiederkehrenden Meldungen über Aktivitäten im Umfeld von Blood & Honour“.
Propaganda für einen Rassenkrieg
Tatsächlich hatte Blood & Honour die rechtsextreme Szene lange geprägt – und seinen Nimbus auch nach dem Verbot bewahrt. Die Gruppe ist international aufgestellt, hierzulande organisierte sie Rechtsrockkonzerte, vertrieb CDs. Und propagierte Gewalt: Sie beschwor einen „Rassenkrieg“, hantierte auch mit Waffen. Als 1998 die späteren NSU-Terroristen Beate Zschäpe, Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos untertauchten, waren es auch Blood-&-Honour-Mitglieder, die ihnen dabei halfen. 2000 folgte dann das Verbot durch den damaligen Bundesinnenminister Otto Schily (SPD): Die Gruppe sei rassistisch und kämpfe gegen die Verfassung.
Dennoch tauchte das Label in der rechtsextremen Szene weiter auf, zuletzt etwa auf Rechtsrockfestivals in Ostritz oder Themar. Auch frühere Mitglieder blieben aktiv. Einige sammelten sich in dem radikalen Ableger „Combat 18“ – der zuletzt mit Schießübungen in Tschechien auffiel. „Trotz Verbot nicht tot“, lautete ein Slogan in der Szene.
Schon 2016 gab es Ermittlungen in Thüringen, ob dort Blood & Honour reaktiviert wurde – das Verfahren blieb ergebnislos. Nun ist die Münchener Generalstaatsanwaltschaft aktiv. Die jetzt Beschuldigten hätten bereits verbotene Blood & Honour-CDs und Merchandise-Artikel aus dem Ausland hierzulande vertrieben, heißt es dort. Bei den Razzien wurden entsprechende CDs gefunden, auch eine Fahne und ein Dolch mit Hakenkreuz, Schlagstöcke und Schlagringe. Laut bayerischem Innenministerium waren die Beschuldigten „wahrscheinlich Teil eines internationalen Rechtsextremistennetzwerks“. Hinweise auf sie seien vom Landesamt für Verfassungsschutz gekommen.
Langjährige Aktivisten unter den Durchsuchten
Nach taz-Informationen sind unter den Durchsuchten einige langjährige Szeneaktivisten. So soll der Thüringer Sven B. schon vor Jahren bei rechten Gewalttaten und Szeneaufmärschen dabei gewesen sein, auch „Combat 18“ wurde er zugerechnet – dem Blood & Honour-Ableger. Beschuldigt ist auch Alexander S. aus Baden-Württemberg: Er gehörte zu den Anführern der 2016 verbotenen „Weiße Wölfe Terrorcrew“. Auch diese Gruppe hantierte mit Symbolen von Blood & Honour. Intern nannte sie sich „28er“ – nach dem zweiten und achten Buchstaben des Alphabets, B und H, für Blood & Honour.
Die Bezüge waren also wenig verhohlen. Das Bundesinnenministerium gibt sich nun wortkarg: Zu Strafverfahren der Länder äußere man sich grundsätzlich nicht, so ein Sprecher. Die Ergebnisse würden aber in die „fortlaufende Bewertung“ von Blood & Honour einbezogen.
Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) nennt die aktuellen Razzien derweil einen „empfindlichen Schlag“ gegen Rechtsextremisten: „Das zeigt, dass Polizei und Verfassungsschutz solche Umtriebe genau im Blick haben.“ Der bayrische SPD-Innenpolitiker Florian Ritter hat daran Zweifel: „Ich glaube ja, dass das Netzwerk nie weg war. Die Staatsregierung hat hier stets beschwichtigt.“
Auch die Grünen-Politikerin Mihalic fordert „endlich valide Analysen, um derartige Entwicklungen frühzeitig zu erkennen“. „Durch Ignoranz kann man das Problem erstarkender rechtsextremistischer Netzwerke jedenfalls nicht lösen.“ Und für die Linken-Innenpolitikerin Renner „bleibt abzuwarten, ob die Behörden nun endlich Druck auf das Netzwerk ausüben, der dessen Bedeutung im Rechtsterrorismus gerecht wird“.
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