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Rechter Gewalttäter vor GerichtMit der abgebrochenen Flasche

Das Landgericht verhandelt gegen einen Mann, der rechten Kreisen zugerechnet wird und einen 24-Jährigen in einer Kneipe fast erstach.

"Gemütlicher Treffpunkt": In der Kneipe "Klause 38" am Bahnhof wurde im März ein Gast fast umgebracht. Bild: Simone Schnase

Sascha S. ist in dunklem Sakko und feinem Schuhwerk vor Gericht erschienen, aufrecht steht er da, lässt sich filmen, fotografieren. Das blütenweiße Hemd trägt er hochgeschlossen. Nur ein klein wenig blitzt sie hervor, die Tätowierung am Hals, die auf „Blood & Honour“ verweist. Also jenes internationale, 2000 in Deutschland verbotene rechtsextreme Netzwerk, das Kameradschaftskader mit Rechtsrockern vernetzt.

Blut und Ehre, so die deutsche Übersetzung, war einst auch in die Fahrtenmessern der Hitlerjugend graviert. Der Polizei ist der 28-jährige Bremer offenbar bereits als rechter Gewalttäter aufgefallen. In Antifa-Kreisen ist er zumindest „kein unbeschriebenes Blatt“.

Seit gestern muss S. sich wegen versuchtem Totschlag vor dem Landgericht verantworten, unter anderem. Ihm wird vorgeworfen, in der Kneipe „Klause 38“ am Herdentorsteinweg den 24-jährigen Serdar „Dennis“ H. gewürgt, mehrfach eine Bierflasche über den Kopf gezogen und dann – als sie abgebrochen war – in den Hals gestochen zu haben. Im März war das, so etwa gegen Mittag. Den Tod des Opfers habe S. dabei jedenfalls „billigend in Kauf genommen“ heißt es in der Anklageschrift. Und dessen Verletzungen waren zumindest „potenziell lebensbedrohlich“.

S., der momentan in Untersuchungshaft sitzt, schweigt derzeit vor Gericht, lässt aber durch seinen Anwalt Temba Hoch ausrichten, dass er „außerordentlich bedauere“, dass H. „zu Schaden gekommen“ sei. Er könne sich „nicht im Ansatz vorstellen“, dass die Tat einen „ausländerfeindlichen Hintergrund“ hatte. Und überhaupt war S., so hat er es früher mal zu Protokoll gegeben, an jenem Tag sehr betrunken, zehn Kurze und mindestens 30 Bier sollen es vom Abend bis zum Vormittag zuvor gewesen sein.

Auch H. hatte einiges intus, 2,2 Promille attestierten sie ihm im Krankenhaus. An die Tat selbst, den Streit, der ihr offenbar vorausging, hat er gar keine Erinnerung, sagt er immer wieder. Dass sein Migrationshintergrund – der Vater ist Türke – eine Rolle spielte, „wüsste ich jetzt nicht“, sagt H. vor Gericht. Zeugen wollen laut Protokoll aber gehört haben, dass S. rumgebrüllt habe, dass er stolz sei, ein Deutscher zu sein und alle Ausländer hasse.

Das Gericht versprach gleich zu Prozessbeginn, es werde „bestmöglich“ aufklären, ob es sich um eine „rechtsradikale Gesinnungstat“ gehandelt habe. Zuvor war auf dem Portal de.indymedia.org ein Text erschienen, der davor warnt, die Tat „künstlich“ auf eine „Kneipenschlägerei“ zu „verkürzen“. Es müsse geklärt werden, „wie dieser Täter in die Strukturen rechter Organisationen eingebunden“ sei, zumal es in Bremen „ein großes Netz von gewaltbereiten Personen“ mit rechtem Hintergrund gebe. Der Prozessauftakt, bei dem nur wenige ZuschauerInnen zugegen waren, wurde von mehreren Polizeikräften sowie Wachleuten begleitet.

Der Tatort „soll ein Hort der Rechten sein“, sagt Richter Kellermann. Antifakreisen zufolge treffen sich dort schon seit Längerem immer mal wieder rechte Hooligans. H., der sich selbst als „unpolitisch“ beschreibt, „kann das nicht bestätigen“, weiß aber, dass dort harte illegale Drogen gedealt werden. Tresenkraft Korinna H. weist den Vorwurf, die „Klause 38“ in der Bahnhofsvorstadt sei eine „rechte Kneipe“ allerdings deutlich von sich. Ja, es könne sein, dass „die“ sich da mal rein verirrten. Aber nur „sehr selten“ gäbe es da mal einschlägige Sprüche, sagt Zeugin H.

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