Verschwörungstheroretiker tritt bei Rapunzel auf

Erst vor Kurzem ist der Biopionier aus dem Unterallgäu durch Äußerungen seines Gründers in die Kritik geraten. Nun kommt heraus, dass die Firma einem Klimawandelleugner und rechten Esoteriker ein Forum bot

Gründete Rapunzel 1974: Vorstand Joseph Wilhelm Foto: Rolf Schultes/dpa

Von Mira Landwehr

„Homöopathie für Pflanzen“, „Sternenstaub und Eulenrufe“, „Mythen, Sagen, LichtBildKlänge“ – so lauten Titel der „Rapunzel Events“, einer öffentlichen Veranstaltungsreihe, die seit vier Jahren regelmäßig im firmeneigenen Veranstaltungsraum im schwäbischen Legau stattfinden. Die Rapunzel-Veranstaltungen ziehen zwischen 50 und 200 Besucher*innen an und sind zum Teil online als Videomitschnitte verfügbar. Bisweilen treten hier auch Dozenten auf, die zumindest zweifelhafte Ansichten vertreten. So am 12. Juli 2018 Ralf Otterpohl, seit 1998 Leiter des Instituts für Abwasserwirtschaft und Gewässerschutz an der TU Hamburg. Der Uniprofessor ist als Klimawandelleugner und Verschwörungstheoretiker zumindest umstritten: Studenten der TU Hamburg beschwerten sich erst im Februar in einem offenen Brief über Otterpohl, weil er in Univeranstaltungen über den „CO2-Mythos“ referiert hatte und „derjenigen Person 2.000 Euro geboten hat, die die Auswirkungen von CO2 nachweisen könne“.

Bei Rapunzel redete Otter­pohl über die Thesen seines Buchs „Das neue Dorf“. Hier bewirbt der Professor die völkisch-antisemitische Anastasia-Siedlerbewegung aus Russland, die seit Jahren auch in Deutschland, vornehmlich im Osten, sogenannte Familienlandsitze etabliert und sich nach außen als harmlose Ökobewegung präsentiert.

Inwieweit die Thesen Otter­pohls mit dem Weltbild des Rapunzel-Firmengründers und -geschäftsführers Joseph Wilhelm übereinstimmen, muss inzwischen zumindest infrage gestellt werden. Rapunzel, Biopionier aus dem Unterallgäu, musste Mitte Mai Stellungnahmen Wilhelms wegen Boykott­aufrufen von KundInnen aus dem Internet entfernen. Wilhelm hatte sich hier als Impfgegner und Anhänger von Verschwörungsmythen geoutet. Mund-Nasen-Masken bezeichnete er als „Maulkörbe“, eine gesunde Ernährungsweise sei der beste Schutz gegen Infektionskrankheiten. Rapunzel beschäftigt nach eigenen Angaben über 380 MitarbeiterInnen und erwirtschaftete 2017 einen Gewinn von 17,4 Millionen Euro.

Mit Otterpohl hat Rapunzel nun offensichtlich einer Person ein Forum gegeben, die rechtsnationalistische Haltungen nahesteht. Bei den Anastasia-Selbstversorgern befinden sich auch Rechtsesoteriker wie Frank Willy Ludwig, der laut einer Recherche des Bayerischen Rundfunks (BR) erklärte: „Die jüdische Rasse werdet ihr an der grauen Hautfarbe und den dunklen, finsteren Augen der Nacht erkennen.“

Otterpohl spricht von Chemtrails oder Gehirnzerstörung durch Fluorid-Zahnpasta

In den Fantasyromanen von Wladimir Megre, auf denen das Anastasia-Siedlungskonzept beruht, liest man, dass Jüdinnen und Juden die Regierungen manipulierten und ein jüdischer Oberpriester die Welt beherrsche. Otterpohl schreibt in seinem Buch auf Seite 76: „Anastasia liefert spannende, überraschende und oft sehr praktische Vorschläge, interessante Bewertungen des Stadtlebens und sehr weitreichende Visionen für die Zukunft“

Trotz Professorentitel vertritt er hier eine wirre verschwörungsideologische Mischung aus Kennedy-Mord, Chemtrails, gefährlicher Fluorid-Zahnpasta („Gehirnzerstörung!“) und von der Pharmaindustrie verhinderter Krebsheilung durch Naturkräfte. All dies konnten die ZuschauerInnen auch im Juli 2018 bei Rapunzel in Legau hören oder später am Bildschirm nachverfolgen: Aus dem Publikum ist Zustimmung zu den Thesen Otterpohls zu vernehmen. Zwischendurch erläutert der Professor auch wenig ideologische Möglichkeiten zur Bekämpfung der weltweiten Bodenerosion. Nach dem Vortrag Otter­pohls stellt Robert Briechle, der der „Reichsbürger“-Bewegung nahesteht, seinen Landsitz im Allgäu vor.

Recherchen der Autorin dieses Beitrags führten dazu, dass Rapunzel Video und Veranstaltungsbericht von seiner Website entfernte. Zuvor hatte es dort noch begeistert geheißen, das Event sei ein „erfrischender Aufruf zu Optimismus und dem Mut, das Leben in die eigene Hand zu nehmen“ gewesen. 4.500 Aufrufe hatte das Video bis zu seiner Löschung immerhin generiert. Eine Pressesprecherin betonte, der Konzern habe nichts mit rechtem Denken gemein.

Dabei ist Otterpohl eng mit der Anastasia-Bewegung verbandelt. Bereits im April 2018 hatte der Professor im schweizerischen Elfingen „geomantische“ Kurse zur Wahrnehmung von sogenannten Elementarwesen angeboten. Veranstaltungsort: Der „Garten Weden“, einer der Familienlandsitze der Anastasia-Bewegung. Geomantie, also eine esoterische „Erfahrung“ von Energiefeldern, dem Feng-Shui nicht unähnlich, empfahl der Professor auch dem Rapunzel-Publikum und seinen Student*innen.

Ralf Otterpohl, TU-Professor Foto: TU Hamburg

Erst im November distanzierte sich Otterpohl wenig glaubwürdig von den problematischen Siedlern, denn gleichzeitig bestärkte er seine enge Zusammenarbeit mit dem Briechle-Hof.

Immerhin will Otterpohl künftig seine kruden Thesen nicht mehr in der Hochschule verbreiten: Nach der Beschwerde der StudentInnen habe „ein konstruktiver Austausch“ stattgefunden, heißt es in einer Stellungnahme der TU Hamburg. Otterpohl habe versichert, „die Inhalte seiner Forschung und Lehre künftig von seinen privaten Interessen zu trennen und so auch auf das TU-Logo bei außeruniversitären Veranstaltungen zu verzichten.

Bis zum heutigen Stand hat uns nach diesem Gespräch keine weitere Beschwerde seitens der Studierendenschaft erreicht.“