Rechte Schülerzeitung: Nazis haben Bock auf Schüler
An Schulen in Hannover wird derzeit eine neue Zeitung verteilt. Sie trägt den Titel "Bock" und steht den "Autonomen Nationalisten" nahe.
Der Titel der neuen Schülerzeitung aus Hannover, Bock - "Das Sprachrohr der Gegenkultur", lässt zunächst nicht erraten, wer dahinter steckt. Auch das farbige Cover zieren keine einschlägigen Codes. Auf Seite drei, im ersten Text, werden die Herausgeber aber deutlich: "Es wird uns eine Freude sein, die Legitimation dieses korrupten liberalen Staates zu unterminieren", heißt es da. "Die sogenannten westlichen Werte gehen uns am Arsch vorbei." Seit Anfang der Woche wird die rechtsextreme Zeitung in der niedersächsischen Landeshauptstadt verteilt.
"Wir haben Strafanzeigen wegen Volksverhetzung gestellt" sagt Silke von Meding vom Verein "Junge Presse Niedersachsen", einem Zusammenschluss von nicht-kommerziellen Jugendmedien. Schon Zeilen wie "Ausländerintegration heißt bei uns Rückführung und ein mit Schoko überzogenes Schaumgebäck bleibt ein ,Negerkuss'" könnten nicht toleriert werden: "Wir rufen auf, die Verteilungen zu verhindern."
An fünf Schulen in der Stadt und im Umland soll die Zeitung verteilt worden sein. "Sie wurde teilweise auch bloß in der Schule ausgelegt", sagt Reinhard Koch, Geschäftsführer der "Arbeitsstelle Rechtsextremismus und Gewalt" in Braunschweig. Meist standen junge Männer im Alter von 20 bis 25 Jahren mit den Bock-Heften vor Schulen.
Nach eigenen Angaben liegt die Auflage der 16-seitigen Zeitung bei 20.000 Exemplaren. Die "Kameradschaft 73 Celle" kommt ob der Aktion ins Schwärmen: "Junge Deutsche Aktivisten" hätten vor den Schulen gestanden, um die "längst überfällige Rebellion in die Klassenzimmer zu tragen". 4.000 Zeitungen seien bereits verteilt worden.
Im Internet präsentieren sich die Herausgeber, die unter dem Namen "Besseres Hannover" auftreten, im Stile der "Autonomen Nationalisten". Sie seien "junge Hannoveraner", die nicht in einem "multikriminellen Menschenbrei" leben wollten. Man wolle den "Aufruhr in die Köpfe tragen". In einem "Fiktion oder Realität" betitelten Beitrag heißt es: "In diesem Land ist Zivilcourage immer sehr gefragt - aber nur, wenn sie von oben angeordnet wird und sich gegen Rechts richtet."
Die Schülerzeitung Bock ist kein Einzelfall - in Niedersachsen hat die rechtsextreme Szene von NPD bis Kameradschaften schon öfters so genannte "Schulhofaktionen" ausgerichtet.
Bei Wahlen verteilte die NPD landesweit ihre Gratis-CDs mit Rechtsrockmusik.
Die NPD-Jugendorganisation "Junge Nationaldemokraten" gab im Raum Verden die Schülerzeitung Der Rebell heraus.
Das Projekt "Neues Volk" schrieb per E-Mail Schulen an, um Informationswochen anzubieten. Der mit gesandte Flyer wurde deutlich: "Ausländer rein? Wir sagen Nein! Nationaler Sozialismus jetzt".
Ein anderer Autor kritisiert unter dem Titel "Freiheit - Gleichheit - Brüderlichkeit" den Irakkrieg: "Im Namen der Freiheit wurde der Irak überfallen. Ein Schelm, wer jetzt sagt, es ginge doch ums Öl. Auf der Rückseite der Ehrenkreuze für die gefallenen deutschen Soldaten steht ,Sponsoring by US-Konsortium'".
Auffallend ist der ironische Ton, der in vielen Beiträgen angeschlagen wird. Auf Seite 12 und 13 etwa heißt es: "Wir entlarven den alltäglichen Faschismus". Was folgt, ist eine Analyse des Kinderliedes "Hänschen klein", das gewollt läppisch auf seinen faschistischen Gehalt untersucht wird - Satire von rechts. Völlig ernst gemeint ist ein Interview mit der Rechtsrockband "Nordfront" aus Hannover, in dem die Band zu politischen Aktionen aufruft. Abschließend wird eine Zitatensammlung des Freikorps-Kämpfers Harmut Plaas präsentiert.
Der Bock versuche "Jugendliche anzusprechen, die Kritik an den bestehenden Verhältnisse haben", sagt der Braunschweiger Antifa-Aktivist Koch. Eindeutigkeiten, die gleich die rechte Intention erkennen ließen, würden darum vermieden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kampf gegen die Klimakrise
Eine Hoffnung, die nicht glitzert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Zweite Woche der UN-Klimakonferenz
Habeck wirbt für den weltweiten Ausbau des Emissionshandels
Krieg in der Ukraine
Biden erlaubt Raketenangriffe mit größerer Reichweite
Angeblich zu „woke“ Videospiele
Gamer:innen gegen Gendergaga
Haldenwang über Wechsel in die Politik
„Ich habe mir nichts vorzuwerfen“