Rechenschaftsbericht vor dem Parlament: Russlands Premier bleibt auf Kurs
Wladimir Putin zieht eine positive Wirtschaftsbilanz - trotz der weltweiten Krise. Es gibt keinen Zweifel, dass er die gegenwärtigen Machtverhältnisse aufrecht erhalten will.
MOSKAU taz | Zum dritten Mal legte Wladimir Putin als russischer Regierungschef vor der Duma am Mittwoch Rechenschaft ab. Wie schon in den Vorjahren bescheinigte sich der Premier eine Bilanz, die sich sehen lassen kann. Im Vergleich zu den führenden Industriestaaten der G-8 hätte Russland die Folgen der Finanzkrise ohne größere Blessuren und Kürzungen im Sozialhaushalt überstanden, sagte Putin sinngemäß. Das Land bleibe auf Kurs und strebe weiterhin an, bis 2020 in den Kreis der fünf führenden Ökonomien der Welt aufzusteigen.
Quasi als Fußnote merkte der Premier an, dass dieses Ziel nur zu erreichen sei, wenn die Arbeitsproduktivität verdoppelt und in Kernsektoren mindestens verdreifacht werden könnte. Auch der Anteil der innovativen Produktion müsste von zwölf auf 35 Prozent gesteigert werden.
Die Abgeordneten bedachten das Bekenntnis, am Vorkrisenplan festzuhalten und in die Weltliga aufzusteigen, erwartungsgemäß mit reichlich Beifall. Doch liegt hier der Hase im Pfeffer. Unter der Ägide Wladimir Putins hat die Ökonomie keinen qualitativen Schritt nach vorne getan. Die starren politischen und bürokratischen Strukturen, für die das System Putin steht, unterlaufen den notwendigen Paradigmenwechsel und blockieren die Modernisierung.
So stand der Rechenschaftsbericht denn auch eher unter dem Zeichen des Zweckoptimismus. Ende des Jahres wählt Russland ein neues Parlament und in einem Jahr stehen Präsidentschaftswahlen an. Bei Regionalwahlen erzielte die Kremlpartei Vereinigtes Russland trotz unlauteren Wettbewerbs zuletzt nur noch mäßige Ergebnisse. Überdies ist noch nicht geklärt, ob Präsident Dmitri Medwedjew oder Wladimir Putin sich im nächsten Jahr in den Kreml wählen lassen.
Keine Experimente
Vor diesem Hintergrund war die Bilanz wie ein Plädoyer zu lesen, an den bestehenden Machtverhältnissen nicht zu rütteln. Das Land brauche die nächsten zehn Jahre Ruhe und Stabilität, keine "Schwankungen und unüberlegten Experimente, soziale Demagogie oder zuweilen auch ungerechtfertigten Liberalismus", sagte Putin. Mit dieser Kernaussage schrieb der Premier fest, dass er im Laufe der nächsten zehn Jahre nicht gedenkt, das Steuer aus der Hand zu geben und einschneidende Reformen zuzulassen.
Stattdessen bediente der Regierungschef die wichtigsten Wählergruppen mit Wahlgeschenken. Armeeangehörigen, Lehrern, Rentnern und Beamten versprach er ab Herbst eine Erhöhung der Bezüge und verbesserte Sozialleistungen. Im Vergleich zu sonstigen öffentlichen Auftritten gab sich der Premier diesmal moderat. Er verzichtete auf verbale Attacken und riss auch keine Zoten, die die Wählerschaft aus den Sicherheitsstrukturen besonders anspricht.
Fast harmlos klang es, als er in verklausulierter Form vor "gutgemeinten Ratschlägen" warnte, "hinter denen ein grobes Diktat und die Einmischung in innere Angelegenheiten eines unabhängigen Staates stehen". Damit war der Westen gemeint. Nach dem Bericht durften die handverlesenen Abgeordneten Fragen stellen, die vorher schriftlich eingereicht werden mussten. Gravierende Meinungsunterschiede zwischen Parlament und Regierung traten dabei nicht auf.
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