Rebellenoffensive im Tschad: Krieg in der Wüste
Im Osten des Tschad haben Rebellen erneut eine Blitzoffensive gestartet. Schwere Kämpfe forderten hunderte Tote. Die UN stellten die Versorgung der Darfur-Flüchtlingen ein.
BERLIN taz | Schwere Kämpfe tobten am Freitag in der Wüste des östlichen Tschad, nachdem tschadische Rebellen vor wenigen Tagen ihre traditionelle Frühjahrsoffensive begannen. Ihr Blitzvorstoß auf hunderten Geländewagen mit aufmontierten Gewehren, der in den Jahren 2006 und 2008 die Rebellen nach wenigen Tagen quer durch den Tschad bis zur Hauptstadt Ndjamena geführt hatte, ist diesmal im Osten des Landes aufgehalten worden. Dabei kam es zu schweren Gefechten.
Die Regierung sprach von 125 toten Rebellen und 21 toten Regierungssoldaten in der Nähe des Ortes Am-Dam. Die Kämpfe weiteten sich noch am Donnerstag auf das Umland der Stadt Abéché aus.
Insgesamt sollen sich im Osttschad jetzt 7.000 Regierungssoldaten und 4.000 Rebellen gegenüberstehen. Die in der UFR (Union der Widerstandskräfte) zusammengeschlossenen Rebellen haben die Städte Am Timan und Am Dam südlich von Abéché besetzt, zwei Zentren der humanitären Hilfe für 170.000 tschadische Vertriebene und 265.000 sudanesische Flüchtlinge aus der Region Darfur. Das UN-Welternährungsprogramm WFP stellte deshalb schon am Dienstag seine Versorgung der Darfur-Flüchtlingslager ein.
Seit vielen Jahren bekämpfen im Tschad bewaffnete Rebellen den seit 1990 herrschenden Präsidenten Idriss Déby. In den letzten fünf Jahren sind sie dank Unterstützung der Regierung des Sudan stärker geworden - Sudan reagiert damit darauf, dass Militärs aus Débys Zaghawa-Volk Rebellen in Darfur unterstützen, die zum Teil ebenfalls Zaghawas sind. Der Osten Tschads, staatlich kaum kontrolliert, hat sich mit Flüchtlingen und lokalen Milizen gefüllt. Damit daraus kein regionaler Krieg wird, beschloss die EU 2007 ein militärisches Eingreifen.
Tschads Rebellen haben ihre Versuche, Déby zu stürzen, sorgfältig um den EU-Einsatz herum geplant. Ihren letzten Angriff, bei dem sie die Hauptstadt erreichten, führten sie Anfang Februar 2008, wenige Tage vor Beginn der EU-Stationierung. Für ihre laufende Offensive begann die Planung, nachdem im Januar 2009 das Ende der EU-Mission und ihre Ablösung durch eine UN-Blauhelmtruppe beschlossen wurde. Eine Reihe verfeindeter Rebellen schloss sich zur UFR zusammen, mutmaßlich unterstützt von Sudans mit internationalem Haftbefehl gesuchten Präsidenten Hassan Omar al-Bashir. Für den sind die tschadischen Rebellen ein willkommenes Druckmittel auf die internationale Gemeinschaft.
Die UFR-Offensive begann einen Tag, nachdem die Regierungen Sudans und Tschads am 3. Mai unter libyscher Vermittlung in Katar vereinbarten, Rebellen aus dem jeweils anderen Land nicht mehr zu beherbergen. Tschadische Rebellen aus dem Sudan zum Angreifen in den Tschad zu schicken, ist eine Möglichkeit, diese Vereinbarung umzusetzen. Tschad hat seinerseits Führer der Darfur-Rebellenbewegung JEM (Bewegung für Gerechtigkeit und Gleichheit) zu Gesprächen mit Sudans Regierung nach Katar geschickt.
Die UN-Einheiten im Osttschad haben in die Kämpfe ebenso wenig eingegriffen wie die dauerhaft im Tschad stationierten Eingreiftruppen aus Frankreich. Das Regime Déby ist heute stärker als früher: Moderne Kampfflugzeuge flogen am Mittwoch Angriffe auf vermutete Rebellen, nach deren Angaben geflogen von Söldnern aus der Ukraine und Mexiko. Zurzeit stehen die Rebellen 100 Kilometer tief im Tschad. Und statt einer Blitzoffensive Richtung Hauptstadt scheint sich ein mörderischer Wüstenkrieg zu entwickeln.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rechtsextreme Demo in Friedrichshain
Antifa, da geht noch was
Pelicot-Prozess und Rape Culture
Der Vergewaltiger sind wir
Trendvokabel 2024
Gelebte Demutkratie
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt
Berliner Kultur von Kürzungen bedroht
Was wird aus Berlin, wenn der kulturelle Humus vertrocknet?