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Realistische Darstellung unerwünscht

■ Blutige Schwarzwaldklinik beschäftigt Gerichte / Bonner Jugendschützer wollen Gewalt im Fernsehen zensieren

Vergewaltigung und blutige Rache in der ZDF-Serie Schwarzwaldklinik schockierten 1986 nicht nur die Zuschauer, sondern riefen auch die Zensur auf den Plan. Erstmals in der deutschen Mediengeschichte setzte die Bonner Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften einen Fernsehfilm wegen brutaler Szenen auf den Index.

Konsequenz: Die im Februar 1986 ausgestrahlte Folge des Dauerbrenners um Professor Brinkmann und Schwester Christa durfte so nicht mehr über die bundesdeutschen Bildschirme flimmern. Der ZDF-Fernsehrat verurteilte zwar die brutalen Szenen, der Mainzer Sender klagte dennoch gegen die Entscheidung der Jugendschützer. Heute nun hat das Bundesverwaltungsgericht in Berlin in dem Rechtsstreit das letzte Wort.

Immer noch erregt sich der Vorsitzende des Prüfungsausschusses, Rudolf Steven, über die Folge Gewalt im Spiel, obwohl er beruflich einiges gewöhnt sein dürfte. „Eine lehrbuchartige Darstellung“ von Vergewaltigung sei gezeigt worden. Von der Planung bis zur Tat - alles hätte das Publikum zur besten Sendezeit sehen können. „Da war nichts abgedunkelt, wie das ZDF vorgetragen hat“, beteuert Steven. Auch die Racheszene sei abstoßend gewesen.

Zweimal habe das Vergewaltigungsopfer den Täter mit einem Springmesser in den Unterleib gestoßen, „daß man es fast krachen hörte“, berichtet Steven. Völlig fehlende Sensibilität kann allerdings Steven dem ZDF nicht vorwerfen. Nach massiven Zuschauerprotesten strich der Sender sofort die für zwei Tage nach der Erstsendung vorgesehene Wiederholung der Folge.

Die anstehende Klage gegen die Zensurmaßnahme der Bonner Jugendschützer stützte die Anstalt auf mehr formelle Gesichtspunkte. Dem ZDF gehe es nicht darum, „einen Film, der problematisch ist, zu halten“, ließen die Mainzer in der ersten Instanz vor dem Verwaltungsgericht Köln erklären. Der Bundesprüfausschuß sei fürs Fernsehen nicht zuständig, argumentieren die ZDF-Juristen. Die Kölner Richter sahen dies genauso und gaben dem Mainzer Sender recht. Das Bundesgesetz „über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften“, auf dessen Grundlage die Prüfstelle arbeitet, gelte nicht für Fernsehsendungen, hieß es im Urteil. Rundfunkrecht - und dazu gehöre auch der Jugendschutz im Fernsehen - sei Landesrecht. Die Prüfstelle war mit dem Urteil nicht einverstanden und legte Revision ein.

Folgt das Bundesverwaltungsgericht dem Kölner Richterspruch wäre der Jugendschutz Sache der Fernsehräte in den öffentlich-rechtlichen Anstalten. Für Steven sind diese Gremien aber „überfordert“. „Da sitzen unter anderem Vertreter der Parteien, Kirchen und Gewerkschaften, die mit dem Jugendschutz nichts am Hut haben“, meint der Zensor. Es sei unsinnig, daß die Prüfstelle zwar Videos aus dem Verkehr ziehen könne, nicht aber Zugriff zum Fernsehen haben solle, lautet sein Argument. Da wundert es nur, daß Brutalostreifen wie Rambo immer noch das Prädikat „Wertvoll“ erhalten können, wenn doch eine durchaus realistische Gewaltdarstellung im braven ZDF-Programm die Gemüter schon so erhitzt.

dpa/taz

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