Reaktionen zum Nachtflug-Urteil: Schönefelder Nächte sind kurz
Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts gegen ein vollständiges Nachtflugverbot freut Berliner und Brandenburger Politiker. Die Gegner sind entsetzt.
![](https://taz.de/picture/245782/14/schoenefeld_dpa_03.jpg)
Klaus Wowereit war zufrieden: "Wir freuen uns über diese wegweisende Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig", kommentierte der Regierende Bürgermeister auf einer Pressekonferenz im Flughafen Tegel die Ablehnung eines vollständigen Nachtflugverbots für den Flughafen BER in Schönefeld. "Das Gericht hat damit die Notwendigkeit des Flughafens für die Region noch einmal ausdrücklich bestätigt." Natürlich habe es eine Interessenabwägung gegeben, so Wowereit. Ein Flugverbot zwischen 0 und 5 Uhr sei bereits ein Kompromiss im Vergleich zum derzeitigen 24-Stunden-Betrieb. Das Projekt müsse nun mit den Anwohnerinteressen in Einklang gebracht werden. Auch den Dialog mit den Flughafengegnern wolle man fortsetzen. "Der Flughafen soll in guter Nachbarschaft mit den Anwohnern leben", so Wowereit.
Flughafen-Chef Rainer Schwarz sprach von einem "ganz wichtigen Tag" für die weitere Organisation des Projekts: "Ein halbes Jahr vor Betriebsbeginn haben wir jetzt Rechtssicherheit." Man könne nun die zukünftige Zusammenarbeit mit interessierten Airlines konkretisieren. Berlin werde zu den zwei anderen deutschen Großflughäfen in München und Frankfurt aufschließen. Spekulationen über den Bau einer dritten Landebahn in naher Zukunft wies er zurück. Lediglich der Ausbau des Flughafens mit weiteren Terminals sei wahrscheinlich.
Rainer Bretschneider, Staatssekretär im brandenburgischen Ministerium für Infrastruktur, hob die wirtschaftliche Bedeutung des Flughafens hervor. "Wir brauchen Leuchttürme für die Wirtschaftskraft der Region", sagte er den anwesenden Journalisten. Der Import dringend benötigter ökonomischer Ressourcen komme auch der Bevölkerung zugute. "Die Menschen vor Ort sollen vom Flughafen profitieren, keine anonymen Unternehmen", so Bretschneider.
Brandenburgs Wirtschaftsminister Ralf Christoffers begrüßte die Entscheidung ebenfalls. Man habe in und um Berlin "die verkehrstechnische und wirtschaftliche Entwicklung gesichert." Er räumte aber auch Diskussionsbedarf mit Gegnern des Flughafens ein. "Mit dem Urteil sind noch nicht alle Konflikte gelöst."
Politik und Wirtschaft reagierten geteilt auf die Leipziger Entscheidung. "Nicht zuletzt trägt das Urteil auch der großen Bedeutung des Tourismus als Wirtschaftsfaktor Rechnung", sagte der Fraktions- und Landeschef der Berliner CDU, Frank Henkel. Nun müssten Lärmschutzmaßnahmen schnell und unbürokratisch umgesetzt werden, um die Anwohner positiv einzunehmen.
Eric Schweitzer, Präsident der Industrie- und Handelskammer (IHK), sagte, einer neuen "Drehscheibe im Nordosten Deutschlands" stehe nun nichts mehr im Wege. Berlin werde attraktiver für Flugunternehmen: "Nach dieser Entscheidung lohnt es sich für die Airlines, ihre Flugzeuge am BER zu stationieren."
Jutta Matuschek, verkehrspolitische Sprecherin der Berliner Linksfraktion, nahm das Urteil eher verhalten auf und betonte die Verantwortung des Flughafenbetreibers für den Anwohnerschutz: "Die Versprechungen des Flughafens, die Lärmschutzmaßnahmen schon vor Betriebsaufnahme zu realisieren, müssen jetzt umgesetzt werden."
Die Flughafengegner reagierten mit Entsetzen. "Das Urteil ist eine Katastrophe für alle Menschen, die in der Nähe von Verkehrsflughäfen wohnen", sagte Carl Ahlgrimm, Bürgermeister von Großbeeren. "Nachtruhe wird aus rein wirtschaftlichen Interessen auf fünf Stunden beschränkt." Der Bürgerverein Brandenburg-Berlin (BVBB) will eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte prüfen.
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