Reaktionen auf Rücktritt von Schavan: Was zu erwarten war
Konsequent und notwendig. Die Reaktionen auf den Rücktritt der Bildungsministerin sind nahezu einhellig. Doch die Opposition spart nicht mit Spott.
BERLIN/MÜNCHEN dpa/afp/rtr | Der Rücktritt von Bildungsministerin Annette Schavan in der Plagiats-Affäre um ihre Doktorarbeit ist in ersten Reaktionen weitgehend als konsequent beurteilt worden. Politiker und Wissenschaftler zollten der CDU-Politikerin Respekt für ihre Entscheidung.
Bayerns Ministerpräsident und CSU-Chef Horst Seehofer bezeichnete den Rücktritt Schavans als „bedauerlich und tragisch“. Schavan sei „eine vorzügliche Ministerin auf diesem Feld“ gewesen, sagte er der Passauer Neuen Presse. "Wenn sie ein anderes Ministerium geführt hätte, bei dem sie nicht jeden Tag mit Hochschulen und Universitäten zu tun gehabt hätte, dann hätte ich geraten, im Amt zu bleiben", sagte Seehofer. Er habe der Kanzlerin gesagt, Frau Schavan solle in der Politik bleiben. Beim Prozedere der Titelaberkennung stellt sich laut Seehofer die Frage, ob „die Gebote eines fairen Verfahrens“ eingehalten worden seien.
Der FDP-Vorsitzende, Wirtschaftsminister Philipp Rösler, bedauerte, dass Schavan ihre erfolgreiche Arbeit nicht fortsetzen könne. „Wir Liberale haben mit Annette Schavan in der Bildungspolitik hervorragend zusammengearbeitet und sind ihr dafür dankbar. Gemeinsam haben wir viel erreicht“, betonte er. Viele Projekte blieben auf immer mit ihrem Namen verbunden.
Der scheidende niedersächsische Ministerpräsident David McAllister gratulierte Schavans Nachfolgerin im Namen der Landes-CDU zu ihrer Berufung. Für den Rest der Wahlperiode soll die bisherige niedersächsische Wissenschaftsministerin Johanna Wanka (CDU) den Posten übernehmen. „Sie hat in Niedersachsen hervorragende Arbeit geleistet und sich deutschlandweit großes Ansehen in Wissenschaft, Forschung und Politik erworben. Sie wird eine gute Bundesministerin für Bildung und Wissenschaft“, sagte McAllister. Zugleich zollte er Schavan Respekt für ihre Entscheidung.
"Schlechter Start für Wahljahr"
Politiker der Opposition nutzen den Rücktritt Schavans allerdings für Attacken auf die Kanzlerin und deren Regierung. SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles erklärte, mit dem Verlust einer anerkannten Ministerin und Vertrauten hätte das Wahljahr 2013 für Merkel nicht schlechter beginnen können. „Die Bundesregierung ist am Ende.“ Auch Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin sprach von einem Fehlstart für Merkel in das Wahljahr und übte Kritik an Wanka. Schavans Nachfolgerin Johanna Wanka sei gerade wegen ihrer Position zu Studiengebühren in Niedersachsen abgewählt worden. „Offensichtlich ist Abgewähltsein eine hinreichende Voraussetzung, um ins Kabinett Merkel berufen zu werden.“
Der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, Thomas Oppermann, wertete Schavans Rücktritt als einen Akt politischer Konsequenz, bekundete aber auch Mitleid: „Es ist tragisch, dass die politische Karriere von Annette Schavan so endet.“ Petra Sitte von der Linkspartei begrüßte den Rücktritt mit den Worten: „Der Wechsel erspart und eine monatelange Hängepartie.“
Laut einer Umfrage der Bild am Sonntag sieht eine Mehrheit der Deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und die Union dennoch durch die Affäre beschädigt. 62 Prozent der vom Meinungsforschungsinstitut Emnid befragten Bundesbürger sehen in der Plagiatsaffäre einen Nachteil für Union und Kanzlerin, nur 31 Prozent erkennen keinen Schaden.
Bei den Anhängern von CDU/CSU fällt das Urteil noch deutlicher aus: Für mehr als zwei Drittel (68 Prozent) stellt die Doktortitel-Affäre einen Makel dar, für 28 Prozent nicht. Schavans wiederholter Beteuerung, weder abgeschrieben noch getäuscht zu haben, schenkten die Befragten mehrheitlich keinen Glauben. 54 Prozent zeigten sich überzeugt, dass Schavan getäuscht hat. Lediglich 36 Prozent hielten die Unschuldsbeteuerungen für wahr.
Am Dienstag hatte die Universität Düsseldorf entschieden, Schavan ihren vor 33 Jahren erworbenen Doktortitel wegen Plagiaten in ihrer Dissertation abzuerkennen. Sie hatte daraufhin am Samstag die Konsequenzen gezogen und ihren Abgang mit dem Respekt vor dem Amt begründet. Schavan will gegen den Beschluss klagen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen