Reaktionen auf HDP-Festnahmen: „Ende der Demokratie in der Türkei“
In der Nacht zu Freitag wurden zahlreiche Abgeordnete der prokurdischen Partei HDP festgenommen. Merkel bewertet das als „höchst alarmierend“.
„Das Ziel dieser Maßnahmen ist, die drittgrößte Partei im Parlament stillzulegen. Das ist nicht nur ein dunkler Tag für unsere Partei, sondern für die ganze Türkei und die Region, denn es bedeutet das Ende der Demokratie in der Türkei“, hieß es in der Erklärung weiter.
Zugleich bekräftigte die HDP, sie werde sich dieser „diktatorischen Politik“ nicht unterwerfen. Die türkische Polizei hatte in der Nacht zahlreiche Abgeordnete, darunter die beiden Parteivorsitzenden Selahattin Demirtas und Figen Yüksekdag, festgenommen. Insgesamt kamen mindestens elf Abgeordnete in Gewahrsam, wie aus einer Liste hervorging, die das Innenministerium sowie die Partei selbst herausgaben.
Dem TV-Sender NTV zufolge wird Demirtas und Yüksekdag Propaganda zugunsten der verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) vorgeworfen. Laut der türkischen Nachrichtenagentur Anadolu muss sich Demirtas zudem wegen Anstachelung zur Gewalt bei Protesten im Oktober 2014 verantworten.
Stimmen aus Deutschland
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat das jüngste Vorgehen in der Türkei gegen Presse und Opposition erneut als „in höchstem Maße alarmierend“ bewertet. Regierungssprecher Steffen Seibert sagte nach der nächtlichen Festnahmewelle gegen die prokurdische Oppositionspartei HDP in der Türkei: „Es ist in höchstem Maße alarmierend, was derzeit in der Türkei geschieht.“ Mit denselben Worten hatte Merkel persönlich bereits am Mittwoch auf das Vorgehen Ankaras gegen die Oppositionszeitung Cumhuriyet reagiert.
Seibert sagte weiter, die Bundesregierung stehe den Festnahmen „ablehnend und missbilligend“ gegenüber. Die Bundesregierung habe jedoch volles Verständnis, dass die Türkei die Verantwortlichen des Putsches zur Rechenschaft ziehen müsse und sich gegen den Terrorismus wehren wolle. Dabei müssten die Prinzipien des Rechtsstaats und die Verhältnismäßigkeit gewahrt werden.
Zugleich verurteilte der Sprecher im Namen der Bundesregierung den neuen Anschlag in der Türkei „aufs Schärfste“. Er sagte weiter: „Welche Begründung auch immer die Täter heranziehen, sie zeigen nur ihre Grausamkeit.“
Eine Sprecherin des Auswärtigen Amts bestätigte, dass Ressortchef Frank-Walter Steinmeier wegen der Vorfälle den türkischen Geschäftsträger in Berlin ins Auswärtige Amt einbestellt hat.Die Kurdische Gemeinde in Deutschland fordert hingegen deutliche Schritte von EU und Nato. „Das Land wird auf Jahre destabilisiert und in eine Spirale der Gewalt getrieben“, erklärte ihr Vorsitzender Ali Ertan Toprak am Freitag in Berlin.
In Köln wollen Kurden am Samstag gegen Festnahmen führender Politiker der pro-kurdischen Partei HDP in der Türkei demonstrieren. Die Veranstalter erwarteten 10.000 bis 15.000 Teilnehmer und wollten durch die Innenstadt ziehen, sagte ein Polizeisprecher am Freitag. Der Verlauf der Kundgebung müsse aber noch abgestimmt werden. In der Nacht zum Freitag hatte es vor dem Kölner Hauptbahnhof bereits eine kleine Spontan-Demo mit 150 Teilnehmern gegeben.
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