Reaktionen Politiker aller Parteien kritisierten das Demonstrationsverbot: Politik einig,Polizei nicht
Katja Kipping, Vorsitzende der Linkspartei
Seltene Einigkeit in Berlin: Vertreter aller im Bundestag vertretenen Parteien haben das Heidenauer Demonstrationsverbot kritisiert. Bevor das Verwaltungsgericht Dresden die Eilverfügung des Landratsamts am Freitagnachmittag kippte, bezeichneten sie das Verbot unter anderem als „völlig falsches Signal“ und „politischen Skandal“.
Den Auftakt machte Grünen-Chef Cem Özdemir. Bevor er sich selbst auf den Weg nach Heidenau machte, rief er im „Morgenmagazin“ der ARD zum zivilen Ungehorsam auf. „Ich fahre da trotz des Verbots hin und fordere alle, die nichts Dringendes zu tun haben, zum Mitkommen auf“, sagte Özdemir. „Ich habe in der Schule gelernt, dass es ein staatliches Gewaltmonopol gibt. Es kann nicht sein, dass Rechtsradikale bestimmte Bereiche Deutschlands übernehmen und die Polizei zurückweicht.“
Ähnlich äußerte sich später SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi. „Zwei Nächte lang randalieren rechte Gewalttäter, und ein friedliches Solidaritätsfest soll nicht stattfinden dürfen. Das ist verkehrte Welt!“, sagte sie.
Die wehrhafte Demokratie müsse sich beweisen, „indem sie die Grundrechte schützt, auch wenn diese von rechts unter Druck geraten.“ Sie gehe „davon aus, dass mithilfe des Landes und möglicherweise auch des Bundes genügend Polizei organisiert werden kann, um die Sicherheit zu gewährleisten“, sagte Fahimi weiter.
Katja Kipping, Vorsitzende der Linkspartei, hatte die Notunterkunft in Heidenau bereits zu Wochenbeginn besucht. Am Freitag sprach sie von einem „Notstand der Demokratie und des Antirassismus“.
Die sächsische Politik erwecke den Eindruck, „dass es sich hier um eine gewollte und organisierte Überforderung handelt. Und dass man den braunen Mob als Vorwand für weitere Verschärfungen des Demonstrationsrechts und des Asylrechts nutzen will“, sagte Kipping. „Dazu fallen mir nur vier Buchstaben ein: Pfui!“
Und die CDU? Bundeskanzlerin Angela Merkel äußerte sich erst spät, befürwortete am Nachmittag aber die Entscheidung des Verwaltungsgerichts, das Verbot aufzuheben. Man sei nun ein „Stück weiter als am Morgen“, sagte Merkel.
Gleichzeitig bot sie den sächsischen Behörden die Hilfe der Bundespolizei an. Der Bund werde „alles tun, um in dem Maße, wie er helfen kann, die sächsische Polizei zu unterstützen“ sagte sie. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) prüfe bereits, wie die Bundesregierung der sächsischen Polizei helfen könne.
Während sich das politische Berlin weitgehend einig war, konnten sich nur die Polizisten selbst nicht auf eine gemeinsame Linie verständigen: Die Gewerkschaft der Polizei kritisierte das Heidenauer Versammlungsverbot am Vormittag scharf („Das ist ein Kniefall vor dem Mob“), die Konkurrenz von der Deutschen Polizeigewerkschaft zeigte gleichzeitig vollstes Verständnis für die Entscheidung des Landratsamts („Leib und Leben von Flüchtlingen zu schützen hat eindeutig Vorrang vor der Versammlungsfreiheit“). Tobias Schulze
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