Razzia wegen Terrorverdacht: Durchsucht und frei
Die Polizei filzte in Berlin mehrere Wohnungen. Der Grund: Islamisten sollen Anschläge auf Russland geplant haben. Festgenommen wurde niemand.
BERLIN taz | Die Berliner Polizei hat am Mittwoch die Wohnungen mehrerer Terror-Verdächtiger durchsucht. "Die Ermittlungen richten sich derzeit gegen drei Islamisten", sagte ein Polizeisprecher. Den Männern werde die Planung von Sprengstoffanschlägen in Russland vorgeworfen.
Man habe seit Juni gegen eine Gruppe von etwa fünfzehn Personen ermittelt. Ihr Kopf soll laut einer Mitteilung der Polizei ein Islamist arabischer Herkunft sein. Wie die Berliner Morgenpost berichtet, sollen russische Behörden entsprechende Hinweise gegeben haben.
Die Polizei und die die Ermittlungen führende Generalstaatsanwaltschaft erheben aber noch einen weiteren Vorwurf: Einige Mitglieder der Gruppe sollen bereits ausgereist sein, um sich im afghanisch-pakistanischen Grenzgebiet von Terrororganisationen ausbilden zu lassen.
Außerdem heißt es von Seiten der Polizei, man habe die Ausreise von drei weiteren Mitgliedern schon in der Vorwoche verhindert, bei elf Verdächtigen sei dies am Mittwoch geschehen.
Bei der Veröffentlichung der Informationen gab es offenbar Schwierigkeiten bei der Absprache zwischen der die Ermittlung führenden Generalstaatsanwaltschaft und der Polizei. Laut der Anwaltschaft waren 140 Beamte im Einsatz, die Polizei schreibt von 155. Während die Staatsanwälte glauben, dass 26 Objekte durchsucht wurden, waren es laut Polizei 27.
Beide Behörden waren sich darin einig, dass Computer, Speichermedien und "Outdoor-Kleidung" sichergestellt wurden.
Konkrete Hinweise auf Anschlagspläne in Berlin gebe es jedoch nicht, sagte eine Sprecherin der Berliner Inneverwaltung. Die Razzia stünde auch in keinem Zusammenhang mit den kürzlich veröffentlichen Drohvideos von Islamisten, in denen diese Anschläge in Deutschland ankündigten.
Bei den 15 Männern, die zum erweiterten Kreis der Verdächtigen gehören, handelt es sich laut Polizei "überwiegend um deutsche Staatsangehörige, zum Teil mit Migrationshintergrund, sowie jeweils einen türkischen, algerischen, libanesischen, niederländischen und rumänischen Staatsangehörigen." Von zwei Personen sei die Staatsangehörigkeit bisher ungeklärt.
Ermittler sagten, die Gruppe sei wahrscheinlich durch den Konflikt im Nordkaukasus motiviert.
Bisher schwiegen die Verdächtigen zu den Vorwürfen. Laut einem Sprecher der Staatsanwaltschaft fielen sie bisher nicht als radikale Islamisten auf und es bestehe auch kein dringender Tatverdacht. Deshalb seien keine Haftbefehle beantragt worden.
Die Generalbundesanwaltschaft in Karlsruhe war nach Aussage ihres Sprechers über das Vorgehen der Berliner Polizei informiert, führt aber nicht die Ermittlungen. Die Durchsuchungen seien allein Sache der Behörden in der Hauptstadt.
Im Berliner Verfassungsschutzbericht 2008 wird eine Gruppe "Islamisches Emirat Kaukasus" erwähnt, die in der Stadt etwa 50 Anhänger habe. Nach taz-Informationen haben die Berliner Sicherheitsbehörden diese Gruppe und Einzelpersonen, welche Verbindungen zu nordkaukasischen islamistischen Organisationen haben, schon mindestens seit Ende 2008 im Visier.
Zwear stehen sie nicht in erster Linie im Verdacht in Deutschland Anschläge verüben zu wollen, jedoch wird ihnen unter anderem zur Last gelegt, Kämpfer für die Konflikte im Nordkaukasus zu rekrutieren.
Laut dem Berliner Verfassungsschutzbericht war das "Emirat" zunächst hauptsächlich in Tschetschenien aktiv, habe aber die "bewaffneten Operationen mittlerweile auf den gesamten Nordkaukasus" – und hier insbesondere auf die an Tschetschenien grenzenden autonomen russischen Republiken Dagestan und Inguschetien – ausgedehnt.
Ihr Anführer Dokku Umarov, der sich selbst „Emir der kaukasischen Völker“ nennt, habe einerseits die Russische Föderation,andererseits aber auch die USA, Großbritannien und Israel zu seinen Feinden erklärt. Umarovs Ziel ist laut Verfassungsschutz die Vertreibung von Nicht-Muslimen "nicht nur aus dem Kaukasus, sondern vom gesamten historischen Boden der Muslime."
Laut dem aktuellen Bericht des Verfassungsschutzes in Thüringen tue sich innerhalb des Islamischen Emirats "eine Kampfgruppe des dagestanischen Sektors namens „Jamaat Shariat“ durch besonders offensive Agitation im Internet hervor." Diese Gruppe will laut Eigenbeschreibung auf ihrer englischsprachigen Webseite in Dagestan Krieg bis zum Sieg der Muslime führen.
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