Razzia in bosnischem Kulturverein: Großeinsatz ohne Erfolg
Die Soko „Castle“ hat am vergangenen Freitag einen bosnischen Kulturverein in Hamburg-Harburg durchsucht. Einbrecher hat sie dabei nicht gefunden.
Mit fast 70 Beamten hat die Sonderkommission „Castle“ am Freitagabend die Räume des bosnischen Kulturvereins „Sandzak“ in Harburg gestürmt. Die Polizisten wollten mögliche Wohnungseinbrecher schnappen. Heute steht fest, geklappt hat das trotz des Großaufgebots nicht.
Bei dem Einsatz haben die Polizisten 32 Personen durchsucht. Ein Mann wurde wegen einer nicht angetretenen „Reststrafe“ verhaftet. Neun weitere Personen hatten keine Papiere dabei und wurden wegen des Verdachts des illegalen Aufenthalts festgenommen. „Die sind alle wieder hier“, sagt ein Klubmitglied drei Tage später.
Draußen, an dem Wohngebäude in der Baererstraße, steht „Nur für Mitglieder“ an der Tür. Die Fenster sind mit hellgrünen Vorhängen verhängt. Der Kulturverein befindet sich im Erdgeschoss. Warum gerade der bosnische Verein Ziel des Einsatzes wurde, möchte Polizeisprecher Ulf Wundrack nicht verraten – aus „ermittlungstaktischen Gründen.“
Nur so viel: Laufende Ermittlungen hätten ergeben, dass der Kulturklub Treffpunkt und Rückzugsort für Einbrecher sei. Die Razzia sei „dynamisch, aber entspannt und kooperativ“ abgelaufen, sagt Wundrack. Er bestätigt, dass alle neun Festgenommenen noch am selben Abend entlassen wurden. Wofür der per Haftbefehl gesuchte Mann verurteilt worden war, konnte die Polizei nicht sagen.
„Da kommen vernünftige Leute.“
Kulturklubs, in denen sich Landsleute treffen, gibt es in Harburg viele. Innen sieht das Sandzak aus wie eine typische Kneipe. Ein Tresen, eine Dartscheibe, drei Spielautomaten, zwölf Tische, gemütliche Beleuchtung. Dort sitzen überwiegend Männer. Sie spielen Karten, rauchen, trinken und unterhalten sich. „Wir reden über die Arbeit, über Aufträge“, sagt der Bosnier Nehad. Der 53-Jährige ist Gerüstbauer und Klubmitglied. Aktuell laufe es bei ihm nicht so gut. Im Sandzak erfahre er, wo es Aufträge gebe. „Manchmal vermisse ich meine Landsleute und Kollegen, dann schau ich vorbei.“
Doch für einen harmlosen Treff hält die Polizei den Klub nicht. Die Razzia solle die Botschaft vermitteln, dass sich Einbrüche in Hamburg nicht lohnten, sagt Wundrack. Die im August 2015 aufgestellte Soko „Castle“ soll die Einbruchszahlen reduzieren. Seit der Gründung habe die Polizei ein deutlich besseres Bild der Täter, sagt die Soko-Leiterin Alexandra Klein. Es handle sich häufig um reisende Serientäter. „Wenige sind für eine Vielzahl von Taten verantwortlich“, erklärt Klein.
Die Einbruchszahlen waren laut Polizei im Juni 2016 ähnlich hoch wie im Juni der Jahre 2014 und 2015. Konkrete Zahlen liegen nur für die Vorjahre vor:
Im Jahr 2015 gab es 9.006 Einbrüche. Im Jahr 2014 waren es noch 7.490 Delikte. Das ist ein Anstieg um 20,02 Prozent.
Die Aufklärungsquote lag 2015 bei 8,7 Prozent.
Für die dunklen Wintermonaten warnt die Polizei davor, dass mehr Einbrecher unterwegs sind.
Doch Einbrecher auf der Durchreise, wie es die Polizei vermute, träfen sich in dem Klub nicht, sagt Nehad. „Da kommen keine Banditen oder Verbrecher, da kommen vernünftige Leute.“
Abgesehen vom Abend der Razzia sei dort alles ruhig
Manchmal kämen Bekannte aus den Ländern des früheren Jugoslawiens her, ergänzt Irvan – „um Urlaub zu machen“. Für drei Monate sei das legal, sagt er.
Auch die Vermieterin des Ladens, die nicht namentlich genannt werden möchte, hält den Klub für „einen normalen Männer-Spieletreff“. Sie wohnt in der Etage darüber. Abgesehen vom Abend der Razzia, sei dort alles ruhig. Dass sich in dem Verein eventuell auch Kriminelle treffen könnten, bringe die Gegend mit sich, sagt sie.
Die Razzia können sich die Klubmitglieder nicht erklären. Aber die Polizei habe nur ihren Job gemacht, finden sie. „Vielleicht haben sie falsche Informationen erhalten, vielleicht ist jemand neidisch gewesen“, sagt Kurtovich. „Im Sandzak treffen sich nur Arbeiter, vernünftige Familienleute“. Es sei ein Treffpunkt für den Freundeskreis, sagt der 46-Jährige. Wer frei habe, komme her. „Wo sollen wir uns treffen – Zuhause mit Frau und Kind? Da können wir nicht so frei reden, weißt du?“
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