Razzia im Dong Xuan Center in Lichtenberg: Schlagringe gesucht, Plunder entdeckt
Der Zoll durchsucht einen Stand im "Dong Xuan Center" und findet falsche Markenartikel.
Besonders professionell wirkt der Einsatz nicht. Rund zehn Beamte des Zollfahndungsamtes Berlin-Brandenburg versammeln sich an diesem Mittwochmorgen auf einem Parkplatz vor einem Plattenbau in Lichtenberg. Der Auftritt der Fahnder mit und ohne Uniform neben einem grün-weißen Einsatz-Bulli und mehreren Zivilwagen bleibt den Anwohnern nicht lange verborgen. Verstohlen blicken Anwohner durch Gardinenschlitze. Es ist kurz nach halb zehn. Gleich soll im nahen "Dong Xuan Center" die Durchsuchung eines Standes wegen mutmaßlichen Waffenschmuggels beginnen. In der Halle 3 verkaufen vor allem Menschen vietnamesischer, chinesischer, indischer und pakistanischer Herkunft farbenfrohe, aber oft minderwertige Textilien, Schmuck und anderen Nippes.
Verdächtig ist den Zollfahndern die Verkaufsbox einer Deutschen chinesischer Herkunft. Bereits im Mai hatten Zöllner am Flughafen Schönefeld in einer für die Frau bestimmten Sendung 60 Gürtel entdeckt, hinter deren großformatigen Schnallen sich abnehmbare Schlagringe verbargen. Sie gehören zu den Waffen, deren Besitz in Deutschland verboten ist.
Es ist kurz nach zehn Uhr, die Zöllner haben ihre schussfesten Schutzwesten angelegt. "Mögliche Widerstandshandlungen", so die Begründung. Als zwei Polizeistreifen eintreffen, setzt sich der Konvoi in Bewegung. Doch in Halle 3 des "Dong Xuan Centers" herrscht beim Einrücken völliges Desinteresse. Nix mit Widerstand.
Einer der Streifenwagen hat die Hintertür blockiert. Flucht ist nicht mehr möglich; doch vorn ist der Stand noch gar nicht geöffnet. Der herbeigerufene Hausmeister stellt fest, dass das Türschloss ausgewechselt wurde und sein Generalschlüssel somit wirkungslos ist. Auch die geplante Durchsuchung der Privatwohnung der Verdächtigen ist erst mal geplatzt, da sich auch dort niemand aufhält. Ratlosigkeit.
Der Einsatzleiter des Zolls ruft die am Stand angebrachte Mobiltelefonnummer von Frau Wang (Name geändert) an. Sie sei in einer Viertelstunde da, sagt sie. Die übrigen Händler und einige KundInnen interessiert der ganze Auftrieb nicht. Dann erscheint Frau Wang, sichtlich nervös. Der erste Eindruck des Ladens ist der gleiche wie nebenan und gegenüber: jede Menge Dinge, die die Welt nicht braucht. Doch die Durchsuchung des Durcheinanders ist zunächst erfolglos; bis sich herausstellt, dass noch zwei verschlossene Übersee-Container auf dem Gelände stehen.
"Mann, wir sind für Sicherungsaufgaben abgestellt. Jetzt müssen wir noch richtig schwer ackern", mault einer der Zollbeamten. Im zweiten Container werden sie fündig: ein Karton mit Gürtelschnallen in der Form von Schlagringen. Mit den in Schönefeld gefundenen haben sie wenig gemeinsam. In jedem zweiten Punk- und Gothic-Laden hängt Ähnliches im Schaufenster. Gleichwohl wird das Zeugs als verbotene Waffe eingestuft und beschlagnahmt. "155 verbotene Schlagringe", vermeldet die anschließende Presseerklärung.
Aus dieser Geschichte wäre Frau Wang wohl weitgehend unbeschadet herausgegangen. Doch unterdessen hat sich im Laden anderes abgespielt: Die Zöllner haben gefälschte Markenprodukte entdeckt. Rund 1.100 nachgeahmte Schmuckstücke etwa von "Swarovski Crystal" und "fishbone". Bei "Swarovski" (hier findet sich sogar eine offizielle Abmahnung der Tiroler Firma) und anderen ist die Lage eindeutig; ob die Kappen allerdings mit "fishbone" zu verwechseln sind, ist fraglich. Dies soll nun ein weiteres Gutachten klären.
Der Einsatz hat sich somit verschoben. Markenpiraterie folgen im Regelfall saftige Geldstrafen. Ganz dumm wird es für Frau Wang allerdings, als auch noch die Meldung eingeht, bei der Wohnungsdurchsuchung seien Ohrstecker mit Hakenkreuzen entdeckt worden. Nun ermittelt der polizeiliche Staatsschutz.
Der die Ermittlungen leitende Zolloberinspektor ist mit dem Einsatzergebnis recht zufrieden. "Es zeigt doch, dass unser Durchsuchungsbeschluss nicht ganz ungerechtfertigt war." Übrig bleibt nur die Frage: Wo sind zwischen Asiaten und Rechtsradikalen die Berührungspunkte? Springen Nazis in Lichtenberg über ihren Schatten und decken sich etwa bei "Schlitzaugen" ein?
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Pelicot-Prozess und Rape Culture
Der Vergewaltiger sind wir
Trendvokabel 2024
Gelebte Demutkratie
++ Nachrichten zum Umsturz in Syrien ++
Baerbock warnt „Assads Folterknechte“
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt
100 Jahre Verkehrsampeln
Wider das gängelnde Rot
Bundestagswahlkampf der Berliner Grünen
Vorwürfe gegen Parlamentarier