Razzia gegen Rechtsextreme in Berlin: Kameraden gehts an den Kragen
Die Polizei durchsucht elf Wohnungen von Mitgliedern der rechtsextremen Kameradschaft "Frontbann 24" in Berlin. Die SPD fordert ein Verbot der Gruppierung ab Herbst.
Sie pflegen einen martialischen Auftritt. Ganz in Schwarz gekleidet erscheinen die Mitglieder der Berliner Kameradschaft "Frontbann 24" zu Demonstrationen. Auf ihren Hemden ein Reichsadler und der "Frontbann"-Schriftzug, am Kragen eine "24" - ein unverhohlener Bezug auf die gleichnamige, 1924 gegründete Vorgängerorganisation der nationalsozialistischen SA. Nun gehen Polizei und Justiz gegen diese Inszenierung vor: Am Donnerstagmorgen durchsuchten Beamte die Wohnungen von zwölf "Frontbann"-Mitgliedern.
Die rund 60 Polizisten kamen um sieben Uhr morgens. Insgesamt elf Wohnungen wurden gestürmt, vorrangig in Oberschöneweide (Treptow-Köpenick). Daneben gab es Razzien in Mariendorf, Buckow, Marzahn und Hohenschönhausen. Die Durchsuchungen richteten sich gegen elf Männer im Alter von 20 bis 46 Jahren und eine 39-jährige Frau. Nach taz-Informationen soll es sich dabei um die frühere NPD-Kreisvorsitzende von Marzahn-Hellersdorf, Gesine Hennrich, handeln.
Die Staatsanwaltschaft hatte Ermittlungen eingeleitet, weil die Beschuldigten mit ihrem einheitlichen Dresscode auf Demos erschienen waren. Das gilt als Uniformierung und damit als Verstoß gegen das Versammlungsgesetz. Laut Polizeisprecher Martin Otter ist der "Frontbann"-Auftritt "ein Ausdruck einer gemeinsamen, den Nationalsozialismus glorifizierenden politischen Gesinnung". Die Polizei habe gezielt nach den Uniformen gesucht. "Wir sind in allen Wohnungen fündig geworden."
Neben Hemden, Fahnen und Flugblättern wurden ein Butterflymesser, ein Schlagring sowie Drogen beschlagnahmt. "Wir haben auch zur Verteilung vorgesehene Kugelschreiber, Feuerzeuge und Anstecker mit Hakenkreuzen entdeckt", so Otter. Die Polizei leitete Verfahren wegen Verstößen gegen das Waffen- und Betäubungsmittelgesetz sowie des Verbreitens von Propagandamitteln verfassungswidriger Organisationen ein.
Bereits seit Jahresbeginn hat der Verfassungsschutz den "Frontbann 24" im Visier. Die Behörde rechnet der Kameradschaft 50 bis 60 Mitglieder zu, hauptsächlich im Alter von 30 bis 45 Jahren. Die Gruppe habe sich Ende 2008 aus unzufriedenen NPDlern gegründet, einige Mitglieder seien als gewaltbereit einzuschätzen. Ganz bewusst wähle die Organisation Bezüge zum historischen Nationalsozialismus, so auch der Verfassungsschutz. Zuletzt kreuzte die Kameradschaft auf Demos in Berlin, Brandenburg und Sachsen auf.
Die SPD-Fraktion fordert nach den Razzien nun ein Verbot des "Frontbanns". "Ich gehe davon aus, dass genug beweislastiges Material gefunden wurde, um dieses durchzusetzen", sagt Tom Schreiber, verfassungspolitischer Sprecher der SPD. Er rechne mit einem Verbot noch vor der Bundestagswahl. Udo Wolf, Vizefraktionschef der Linkspartei, fordert die Prüfung eines Verbots: "Wir müssen dieser Gruppe mit allen rechtsstaatlichen Mitteln begegnen." Der "Frontbann" sei die am schnellsten expandierende Kameradschaft in Berlin, so Wolf.
Der Forderung von Wolf kommt Innensenator Ehrhart Körting (SPD) bereits nach: Seit Anfang Juli prüft dessen Rechtsreferat ein Verbot. Die Organisation verbreitete fremdenfeindliche Propaganda und sei klar verfassungsfeindlich, so Körting. Er hoffe auf einen zügigen Abschluss der Prüfung. Zuletzt hatte Körting 2005 die rechtsextreme "Berliner Alternative Süd-Ost" (Baso) und die "Kameradschaft Tor" verbieten lassen. Sie hätten sich aggressiv gegen die freiheitliche Verfassung gestellt.
Bianca Klose, Leiterin der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus, begrüßt das Vorgehen gegen "Frontbann". "Genauso wichtig aber ist die Fortsetzung des zivilgesellschaftlichen Engagements gegen die Kameradschaft." Klose verweist auf den "Frontbann"-Treff in der Gaststätte Zum Henker in Niederschöneweide. Seit Wochen fordern Bezirkspolitiker und das "Bündnis für Demokratie und Toleranz" deren Schließung.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Pelicot-Prozess und Rape Culture
Der Vergewaltiger sind wir
Trendvokabel 2024
Gelebte Demutkratie
++ Nachrichten zum Umsturz in Syrien ++
Baerbock warnt „Assads Folterknechte“
Rechtsextreme Demo in Friedrichshain
Antifa, da geht noch was
100 Jahre Verkehrsampeln
Wider das gängelnde Rot
Lektionen der Woche
Deutschland ist derweil komplett im Wahn