Razzia gegen Neonazis in NRW: Schlag gegen Nazi-Kameradschaften
In Nordrhein-Westfalen sind drei weitere Neonazi-Kameradschaften verboten worden. Die Polizei durchsuchte rund 120 Wohnungen und Vereinsräume.
DÜSSELDORF taz | „Mobilisierung im vollen Gange!“, tönten die Aktivisten des „Nationalen Widerstands Dortmund“ noch in dieser Woche. Am 1. September wollten sie wieder in Dortmund aufmarschieren. Doch diesmal könnte ihr „Nationaler Antikriegstag“, der in den vergangenen Jahren bis zu 1.000 militante Neonazis in die Ruhrmetropole zog, ins Wasser fallen.
Am Donnerstag verbot das nordrhein-westfälische Innenministerium die rechtsextremistische Vereinigung. Auch die „Kameradschaft Hamm“ und „Kameradschaft Aachener Land“ wurden zwangsaufgelöst und deren Vereinsvermögen und der gesamte übrige Besitz beschlagnahmt.
Es sei gelungen, „wichtige Strukturen zu zerschlagen“, sagte Landesinnenminister Ralf Jäger (SPD) in Düsseldorf. „Damit dünnen wir die Strukturen der Neonazis in NRW weiter aus.“ Die freien Kameradschaften in Dortmund, Aachen und Hamm galten als die drei aktivsten Neonazi-Gruppierungen an Rhein und Ruhr. Bereits im Mai hatte Jäger die Kölner „Kameradschaft Walter Spangenberg“ verboten (siehe Text unten).
Flankiert wurden die aktuellen Verbotsverfügungen von einem polizeilichen Großeinsatz. Mehr als 900 Beamte durchsuchten ab dem frühen Donnerstagmorgen 146 Objekte in NRW. Nach Angaben des Innenministeriums wurden neben umfangreichen Propagandamaterial auch Schusswaffen, Schlagringe, Teleskopschlagstöcke, Springmesser, Baseballschläger, ein Morgenstern und eine Zwille sichergestellt.
Bei der Durchsuchung des „R135“, dem „Nationalen Zentrum“ der Dortmunder Neonazis, fanden die Polizisten außerdem rund 1.000 NPD-Plakate, die der Bund-Länder-Kommission als Material für ein mögliches NPD-Verbotsverfahren zur Verfügung gestellt werden sollen. „Dies macht deutlich, wie eng die Verflechtungen innerhalb dieser Szene sind“, sagte Minister Jäger. Dass er damit nicht falsch liegt, dokumentiert auch ein ganz besonderer Fund: Eines der Plakate ist mit einer persönlichen Widmung versehen. Es zeigt den Ex-NPD-Vorsitzenden Udo Voigt. Unter dem Slogan „Gas geben!“ hat Voigt handschriftlich notiert: „Für die Dortmunder Kameraden!“
Für das im Dortmunder Stadtteil Dorstfeld gelegene „R135“ bedeutet die polizeiliche Aktion das Aus. Die Stadt Dortmund, der das Haus inzwischen gehört, hatte bereits den Mietvertrag gekündigt. Bis zum Ende des Jahres sollten die Nazis raus sein. Jetzt geht es schneller.
Dorstfeld galt bislang als die Hochburg der Dortmunder Neonazis. Das Gebiet rund um den Wilhelmplatz betrachten sie als ihr Revier. Auch damit soll nun Schluss sein. Eine spontane „Kundgebung gegen staatliche Willkür“ von 19 Kameraden auf dem Platz löste die Polizei am Mittag wegen des Verdachts auf Wiederbetätigung auf, Fahnen und Transparente wurden beschlagnahmt. Kurz vorher hatten die Dortmunder Nazis schon mitteilen müssen: „Unser Twitter verabschiedet sich vorübergehend.“ Ab sofort ist den bisherigen Mitgliedern der Kameradschaften in Dortmund, Aachen und Hamm jede Vereinstätigkeit untersagt. Die Bildung von Ersatzorganisationen ist verboten.
„Diese Kameradschaften sind fremdenfeindlich, rassistisch und antisemitisch“, begründete Jäger sein Vorgehen. „Alle ihre Aktionen sind darauf gerichtet, unsere demokratische Gesellschaftsordnung zu untergraben.“ Immer wieder hätten ihre Mitglieder auch mit Gewalt versucht, ihre Ziele durchzusetzen. Einschüchterungen und Bedrohungen seien traurige Realität. Diesen Leuten müsse man deshalb „ganz konsequent auf die Springerstiefel steigen“. Allein von Januar bis Juni registrierte das NRW-Innenministerium 1.517 rechtsmotivierte Straftaten, 2011 waren es 3.015.
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