Razzia bei linkem Radiosender war illegal: Ein Presse-Urteil ohne Folgen
Eine Razzia beim linken Hamburger Radiosender FSK war illegal. Doch der Senat hat sich nicht mit den Konsequenzen daraus befasst und die Akten zum Polizeieinsatz wurden vernichtet.
![](https://taz.de/picture/282211/14/Cyber_N2_karslruheDAPD_4spSW.20110125-09.jpg)
HAMBURG taz | Eine Razzia beim linken Hamburger Radiosender FSK war illegal. Der Senat hat sich nicht mit Konsequenzen daraus befasst. Akten zum Polizeieinsatz wurden vernichtet
Die unverhältnismäßige Durchsuchung des Hamburger Radiosenders "Freies Sender Kombinat" (FSK) ist ohne Folgen geblieben. Wie der CDU-Senat auf Anfrage der Linksfraktion mitteilte, hat er keine Schlüsse aus einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts gezogen, das die Razzia bei dem linken Sender für verfassungswidrig erklärte. Zu den Kosten des aufwändigen Polizeieinsatzes könne er nichts sagen - die Ermittlungsakten seien "zwischenzeitlich vernichtet" worden.
In November 2003, zur Zeit des Schwarz-Schill-Senats, hatte die Polizei den Sender mit 30 Mann durchsucht: Sie fotografierten die Räume, kopierten zwei Aktenordner und überwachten den Sendebetrieb. Den Anlass bot ein Interview des FSK-Redakteurs Werner Pomrehm mit dem Polizeisprecher Ralf Kunz. Pomrehm zeichnete es ungenehmigter Weise auf und strahlte es aus. Die Polizei schritt zur Durchsuchung - obwohl der Redakteur bekannt und die Sendung mitgeschnitten war.
FSK wertete die Aktion als "Ausforschung linker Medien" und klagte. Die Hamburger Gerichte wiesen die Klage ab, erst das Bundesverfassungsgericht gab ihm im Dezember Recht: Die Hamburger hätten nicht richtig überprüft, ob die Razzia verhältnismäßig sei. Dadurch hätten sie übersehen, dass die Durchsuchung einer Redaktion Informanten verunsichern und Journalisten einschüchtern könne.
Die Linke in der hamburgischen Bürgerschaft wollte wissen, welche Schlussfolgerungen der Senat aus dem Urteil "im Hinblick auf den Schutz des Menschenrechts Rundfunk- und Pressefreiheit", die Menschenrechtsbildung in den Behörden und mögliche Konsequenzen für die Verantwortlichen der Razzia ziehe. "Die Entscheidung ist der Staatsanwaltschaft, den Gerichten und der Polizei bekannt gemacht worden", antwortete der Senat. Im übrigen habe er sich damit "nicht befasst".
Nachdem eine Frage des Internetportals Telepolis zu den Kosten des Einsatzes unbeantwortet blieb, hakte die Linke auch hier nach. Die Handakten zu den Ermittlungen seien aufgrund von Löschvorschriften vernichtet worden, teilte der Senat mit. Personenbezogene Daten dürften aus Datenschutzgründen nicht länger als fünf Jahre aufbewahrt werden, erklärte die Polizei jetzt auch der taz. Wie teuer der Einsatz gewesen sei, könne deshalb nicht mehr beziffert werden.
Ulrich Karpen, emeritierter Verwaltungsrechtler der Universität Hamburg, bezweifelt, "ob die Akten hätten vernichtet werden dürfen". Personenbezogene Daten ließen sich auch durch Schwärzung schützen. Karpen kann sich nicht vorstellen, dass die Frist für eine Löschung so kurz bemessen sei.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Polarisierung im Wahlkampf
„Gut“ und „böse“ sind frei erfunden
Werben um Wechselwähler*innen
Grüne entdecken Gefahr von Links
Wahlverhalten junger Menschen
Misstrauensvotum gegen die Alten
Donald Trump zu Ukraine
Trump bezeichnet Selenskyj als Diktator
Streit um tote Geiseln in Israel
Alle haben versagt
Einführung einer Milliardärssteuer
Lobbyarbeit gegen Steuergerechtigkeit