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Razzia bei linkem Radiosender war illegalEin Presse-Urteil ohne Folgen

Eine Razzia beim linken Hamburger Radiosender FSK war illegal. Doch der Senat hat sich nicht mit den Konsequenzen daraus befasst und die Akten zum Polizeieinsatz wurden vernichtet.

Die Rundfunkfreiheit schützt auch die Vertraulichkeit der Redaktionsarbeit: das Bundesverfassungsgericht bei der Arbeit. Bild: dpa

HAMBURG taz | Eine Razzia beim linken Hamburger Radiosender FSK war illegal. Der Senat hat sich nicht mit Konsequenzen daraus befasst. Akten zum Polizeieinsatz wurden vernichtet

Die unverhältnismäßige Durchsuchung des Hamburger Radiosenders "Freies Sender Kombinat" (FSK) ist ohne Folgen geblieben. Wie der CDU-Senat auf Anfrage der Linksfraktion mitteilte, hat er keine Schlüsse aus einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts gezogen, das die Razzia bei dem linken Sender für verfassungswidrig erklärte. Zu den Kosten des aufwändigen Polizeieinsatzes könne er nichts sagen - die Ermittlungsakten seien "zwischenzeitlich vernichtet" worden.

In November 2003, zur Zeit des Schwarz-Schill-Senats, hatte die Polizei den Sender mit 30 Mann durchsucht: Sie fotografierten die Räume, kopierten zwei Aktenordner und überwachten den Sendebetrieb. Den Anlass bot ein Interview des FSK-Redakteurs Werner Pomrehm mit dem Polizeisprecher Ralf Kunz. Pomrehm zeichnete es ungenehmigter Weise auf und strahlte es aus. Die Polizei schritt zur Durchsuchung - obwohl der Redakteur bekannt und die Sendung mitgeschnitten war.

FSK wertete die Aktion als "Ausforschung linker Medien" und klagte. Die Hamburger Gerichte wiesen die Klage ab, erst das Bundesverfassungsgericht gab ihm im Dezember Recht: Die Hamburger hätten nicht richtig überprüft, ob die Razzia verhältnismäßig sei. Dadurch hätten sie übersehen, dass die Durchsuchung einer Redaktion Informanten verunsichern und Journalisten einschüchtern könne.

Die Linke in der hamburgischen Bürgerschaft wollte wissen, welche Schlussfolgerungen der Senat aus dem Urteil "im Hinblick auf den Schutz des Menschenrechts Rundfunk- und Pressefreiheit", die Menschenrechtsbildung in den Behörden und mögliche Konsequenzen für die Verantwortlichen der Razzia ziehe. "Die Entscheidung ist der Staatsanwaltschaft, den Gerichten und der Polizei bekannt gemacht worden", antwortete der Senat. Im übrigen habe er sich damit "nicht befasst".

Nachdem eine Frage des Internetportals Telepolis zu den Kosten des Einsatzes unbeantwortet blieb, hakte die Linke auch hier nach. Die Handakten zu den Ermittlungen seien aufgrund von Löschvorschriften vernichtet worden, teilte der Senat mit. Personenbezogene Daten dürften aus Datenschutzgründen nicht länger als fünf Jahre aufbewahrt werden, erklärte die Polizei jetzt auch der taz. Wie teuer der Einsatz gewesen sei, könne deshalb nicht mehr beziffert werden.

Ulrich Karpen, emeritierter Verwaltungsrechtler der Universität Hamburg, bezweifelt, "ob die Akten hätten vernichtet werden dürfen". Personenbezogene Daten ließen sich auch durch Schwärzung schützen. Karpen kann sich nicht vorstellen, dass die Frist für eine Löschung so kurz bemessen sei.

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9 Kommentare

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  • K
    Karel

    Ein gutes Beispiel wie in den westlichen Regimen -die sich gern mit dem Adjeltiv "demokratisch" schmücken - die Pressefreiheit in Wirklichkeit praktiziert wird. Ja, "Freiheit ist immer die Freiheit des anders Denkenden". Und in Bezug auf die BRD passt dieses Zitat eigentlich viel besser als in Bezug auf die DDR, die selbst nie behauptet hatte das sie die Pressefreiheit hätte, wohingegen die BRD dies am laufenden Band behauptet und gleichzeitig die Menschen mit Dummblättern à la Bild Zeitung einer Gehirnwäsche unterzieht.

  • K
    Karel

    Ein gutes Beispiel wie in den westlichen Regimen -die sich gern mit dem Adjeltiv "demokratisch" schmücken - die Pressefreiheit in Wirklichkeit praktiziert wird. Ja, "Freiheit ist immer die Freiheit des anders Denkenden". Und in Bezug auf die BRD passt dieses Zitat eigentlich viel besser als in Bezug auf die DDR, die selbst nie behauptet hatte das sie die Pressefreiheit hätte, wohingegen die BRD dies am laufenden Band behauptet und gleichzeitig die Menschen mit Dummblättern à la Bild Zeitung einer Gehirnwäsche unterzieht.

  • C
    Celsus

    Nur in einem Punkt sehe ich das anders als das Budnesverfassungsgericht. Ich glaube nicht, dass da übersehen wurde, dass die Durchsuchung einer Redaktion Informanten verunsichern und Journalisten einschüchtern könnte. Ich gehe davon aus, genau das war mit der Durchsuchung beabsichtigt und wurde von den Gerichten mitgespielt.

  • PM
    Paul Martin

    Die Hamburger Polizei vernichtete also Akten zu einem laufenden Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht. Sehr interessant!

  • IN
    Ihre Name? Achmed

    Verfassungsschutz ist Neusprech.

     

    Am deutlichsten wurde das damals, als der Versuch die NPD zu verbieten gezeigt hatte, wie damit eigentlich der Verfassungsschutz verboten worden wäre, der den Grossteil der rechten Führerpersönlichkeiten alimentiert.

     

    Andererseits sind wir in Deutschland wenigstens bislang recht sicher wenn's um Strom an empfindlichen Körperteilen geht, um Waterboarding und andere Repressalien anderer "demokratischer" Staaten.

     

    Vielleicht gehört zum mutigen Kampf gegen die Reaktion einfach auch, sich regelmässig den Zorn eben dieser Reaktion zuzuziehen ...?

     

    Solange mich deswegen niemand aus einen Hubschrauber schmeisst oder sonstwie verschwinden lässt ist das doch ein recht zivilisierter Kampf, wa?

  • A
    Anna

    Wenn die Regierung so viel Angst vor den Linken hat, wähle ich die wohl in diesem Jahr. Anscheinend sind daas die Einzigen, die wirklich einen sozialen Wandel in Deutschland vorantreiben können. Demonstrationsrecht und freie Meinungsäußerung werden immer mehr beschnitten, weil die Regierung Angst hat, dass die Leute Bescheid wissen und sich zusammentun. Sehr erfreulich, dass im Zeitalter des Internet die manipulative Information der abhängigen Medien nicht mehr funktioniert.

  • FN
    Felix Nagel

    Es bleibt dabei: in Deutschland werden die rechten gerächt und die Linken gelinkt.

  • BG
    Bernd Goldammer

    Was nutzt ein Grundgesetz, wenn es von Verfassungsschützern offenbar gezielt und straflos missachtet werden kann? Eigentlich ist dieses Geschehen, von Demokraten, nicht hinnehmbar.Da wird mir Angst! Wer also schützt uns vor solchen Verfassungsschützern und derlei Polizeistaatsmethoden?

  • SM
    Stefan Meisner

    Und auch für die rechtsbeugerischen Richter der Vorinstanzen wird all das ohne Konsequenzen bleiben. Die können nämlich tun und lassen, was sie wollen. Eine wirksame Kontrolle ihrer Arbeit findet nicht statt. Das ist Willkür, das ist Terror - im Namen des Volkes.