piwik no script img

Razzia bei der „Kameradschaft Recklinghausen“

■ Polizei stellt massenhaft Propagandamaterial der verbotenen FAP sicher

Recklinghausen (taz) – Ein Jahr nach dem Verbot der Freiheitlichen Arbeiterpartei (FAP) hat die Recklinghausener Polizei gestern Propagandamaterial dieser rechtsextremen Organisation sichergestellt. In 22 durchsuchten Wohnungen fand sie außerdem Schlaginstrumente, Messer, Uniformen, Farbmarkierungswaffen, Munition und eine scharfe Pistole. Die seit Mitte Januar vorbereitete Aktion, deren Schwerpunkte in Recklinghausen und Herten lagen, richtete sich gegen eine bisher unbekannte „Kameradschaft Recklinghausen“. Die Behörden haben den Verdacht, daß diese Gruppe eine Nachfolgeorganisation der FAP sein könnte. Die erste Sichtung des Beweismaterials und die Vernehmungen von 22 Verdächtigen deuten nach den Worten von Oberstaatsanwalt Günter Rüter darauf hin, daß es sich bei der „Kameradschaft“ um eine „feste Vereinigung handelt“. Zu den Mitgliedern zählen in der Region bekannte Rechtsextremisten wie Dieter Riefling (27) oder Frank Reber (30). Riefling war früher Kreisvorsitzender der FAP in Recklinghausen und Gründungsmitglied einer „Unabhängigen Wählergruppe“, die bei der Kommunalwahl im Oktober 1994 0,5 Prozent der Stimmen erzielte.

Reber gehört zu den Gründern der „Deutschen Liste“, die im benachbarten Herten ebenfalls zur Kommunalwahl angetreten war. Er ist gleichzeitig Inhaber des „Mjölnir-Verlages“, über den er seine Gesinnungsfreunde mit rechtsextremen Publikationen versorgte. Eine Bezugsquelle lag offenbar im ostdeutschen Lübbenau bei Cottbus. Auch dort durchsuchte die Polizei am Freitagmorgen eine Wohnung.

Ob die umfangreichen Funde strafrechtlich etwas hergeben, ließ die Staatsanwaltschaft offen. Ein juristischer Ansatzpunkt sei ein möglicher „Verstoß gegen das Vereinsgesetz“. Zum Einschreiten habe man sich entschlossen, weil es im Vorfeld einen „Hinweis“ auf einen Brandanschlag gegeben habe: Mitglieder der „Kameradschaft“ sollen darüber geredet haben, in ein Asylbewerberheim „mal einen Molli“ zu werfen.

Genauere Angaben wollte Staatsanwalt Rüter dazu nicht machen. Erhärtet worden sei der Hinweis durch die sichergestellten Beweise aber nicht. Für einen Haftbefehl oder eine vorläufige Festnahme reichten die Verdachtsmomente nicht aus. Ex-FAP-Funktionär Riefling sitzt aber seit Montag dieser Woche ohnehin im Gefängnis. Er muß 9 Monate wegen einschlägiger Propagandadelikte abbrummen. Walter Jakobs

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen