Rauchverbot: Saarland hält zum Glimmstengel
Qualmen wird wohl in allen Bundesländern nur noch in Nebenräumen von Gaststätten erlaubt sein. Einzig das kleine Saarland bleibt eisern: Hier sollen noch Raucherkneipen zulässig sein
Der "Dorfbrunnen" in St. Ingbert im Saarland ist seit 1968 in der Hand der Meyers. Waltraud Meyer, die den Laden alleine führt, seit ihr Mann tot ist, raucht JPS. "80 Prozent bei uns rauchen", sagt die 63 Jahre alte Wirtin. Der "Dorfbrunnen" war eben immer eine Raucherkneipe. "Und es bleibt eine Raucherkneipe."
Im Jahr 2008 könnte der "Dorfbrunnen" eine Sehenswürdigkeit sein: Eine der wenigen reinen Raucherkneipen Deutschlands. Denn inzwischen kristallisiert sich heraus, dass das Saarland wohl das einzige Bundesland sein wird, das Raucherkneipen gestatten will. Unter bestimmten Bedingungen.
Im März hat es noch so ausgesehen, als werde Deutschland ein Flickenteppich mit strengen, mittelstrengen und gar nicht strengen Rauchverboten. Doch dann sind zuerst die Tabakfreunde in Baden-Württemberg eingeknickt, danach fiel Niedersachsens Regierungschef Matthias Wulff um. Letzte Woche hat schließlich der Gesundheitsminister von Nordrhein-Westfalen verkündet, er sehe bisher keine Möglichkeit, Eckkneipen vom Rauchverbot auszunehmen. Am Dienstag sollte das Kabinett in NRW diese Linie festzurren.
Damit liefe es darauf hinaus, dass die Zigaretten grundsätzlich kalt bleiben müssen in der Gastronomie. Geraucht werden darf nur in Nebenzimmern. Gibt es keinen Nebenraum, herrscht Rauchverbot. Hat der Nebenraum keine Tür: auch Rauchverbot. In Baden-Württemberg und Niedersachsen geht es ganz schnell: Dort kommen die Verbote schon zum 1. August, Hessen hat als Termin den 1. Oktober genannt. In den anderen Ländern soll der Nichtraucherschutz zum 1. Januar 2008 in Kraft treten.
Unterschiede? Ein paar Länder erlauben den Qualm in Festzelten, Thüringen will, dass Servicekräfte nicht in Raucherzimmern bedienen müssen. Sonst ist aus dem befürchteten Flickenteppich ein ziemlich übersichtliches Gewebe geworden. Nur einen kleinen Flicken gibt es noch: das Saarland beziehungsweise saarländische Kneipen wie die von Waltraud Meyer.
"Unsere Spezialität ist: Wir im Saarland werden die Eckkneipenregelung haben", sagte Markus Frank, Sprecher der CDU-Fraktion im Saarbrücker Landtag. Die CDU regiert den Kleinstaat allein. "Eine vom Inhaber geführte Kneipe ohne Beschäftigte kann sich zur Raucherkneipe erklären", sagt Frank. Wenn man nachfragt, warum denn das so sein soll, antwortet er, dass es in den Dörfern an der Saar ja viele kleine Kneipen gibt, die seit Generationen vom Inhaber alleine geführt werden. "Die nach einem Rauchverbot nicht mehr zu haben, wäre ein großer Verlust."
Auch Waltraud Meyer ist sicher, dass kaum jemand mehr kommt, wenn im "Dorfbrunnen" nicht mehr gequalmt werden dürfte. Allerdings findet man beim Rumtelefonieren zwischen Völklingen und Neunkirchen nicht gerade viele Waltraud-Meyer-Kneipen. "Keiner macht das hier mehr alleine", sagt ein Wirt.
Deswegen ist auch der Gastronomieverband im Saarland, der seit Jahren gegen Rauchverbote kämpft, nur mäßig glücklich. Frank Hohrath, der Hauptgeschäftsführer des Verbandes, schätzt, dass die Regelung wohl kaum greift. Denn fast jeder Wirt habe eine Kellnerin, einen Koch oder eine Hilfe. Hohrath ärgert sich auch über etwas anderes, sozusagen die zweite saarländische Extrawurst. Denn die CDU will das Qualmen ab 20 Uhr auch in Vereinsheimen erlauben. Hohrath schimpft, dass es schon jetzt vielen Wirten "beschissen" geht, weil die Gäste in Vereinsheime ausweichen. Sogar in Pfarreien. "Viele feiern schon den 47. Geburtstag im Gemeindesaal, weil das günstiger ist als beim Wirt."
Die SPD hält das geplante Gesetz für zu umständlich. "Wie regeln sie das in der Praxis?", fragt die Abgeordnete Petra Scherer. "Wenn ein Wirt die Raucherkneipe alleine führt und dann für einen Monat eine Kellnerin einstellt, verbietet er dann das Rauchen solange?"
Tatsächlich hilft auch im "Dorfbrunnen" die Schwiegertochter. Wie bitte? "Nur vormittags", sagt Waltraud Meyer.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rechtspopulistinnen in Europa
Rechts, weiblich, erfolgreich
Haftbefehl gegen Netanjahu
Sollte die deutsche Polizei Netanjahu verhaften?
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Landesparteitag
Grünen-Spitze will „Vermieterführerschein“