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Rauchende Köpfe in der Bundeshauptstadt

■ Die Bemühungen zur Einschränkung des Rauchens scheitern an Finanzminister und Produzentenlobby

Bonner Politiker denken über Anti–Rauchergesetze nach, Umweltminister Töpfer bringt mal wieder den Krebspfennig in die Debatte, Gesundheitsministerin Süssmuth fordert Schutzmaßnahmen für Jugendliche und Kinder. Die stinkende Branche und die etwa 17 Millionen Tabak–Abhängigen befürchten schlechte Zeiten und machen ihrerseits mobil. Die Lobbyisten der Zigarettenindustrie meldeten sich umgehend zu Wort: Raucher seien schließlich keine Verbrecher, das Selbstbestimmungsrecht des Einzelnen ein höheres echtsgut. In New York wurde nach einem Protestlauf der Gelbfinger das neue Gesetz, das die Raucher aus allen öffentlichen Einrichtungen vertreibt, gerichtlich gestoppt.

„Rauchen gefährdet Ihre Gesundheit“, warnt seit 1982 ein unsichtbarer Bundesminister auf jedem Zigaretten–Werbeplakat oder jeder gekauften Schachtel. Doch zu spät: Die Message von der Zigarette als Symbol für Freiheit und Abenteuer ist schon im Kopf, die Schachtel schon gekauft. Des zaghaften Hinweises wegen raucht keiner auch nur einen Glimm– Stengel weniger. Zwar ist die Zahl der Raucher in der Bundesrepublik geringfügig rückläufig, doch führt Christa Merford–Dieter von der Deutschen Hauptstelle gegen die Suchtgefahren das eher auf ein wachsendes Umwelt– und Gesundheitsbewußtsein als auf die zaghafte Kampagne des Gesundheitsministeriums zurück. Prof. Ferdinand Schmidt, Initiator des „Ärztlichen Arbeitskreises Rauchen und Gesundheit“, drückt sich etwas krasser aus: „Das Gesetz wurde in dieser Form nur beschlossen, weil klar war, daß sich dadurch nichts verändern würde.“ Es habe eine reine Alibi– Funktion, weil man gegenüber den weit entschiedeneren Maßnahmen anderer Länder nachziehen mußte. Tatsächlich wurde die Image– Werbung für Zigaretten in den skandinavischen Ländern und in Frankreich schon in den 70er Jahren verboten. Gesetzlich vorgeschriebene Warnhinweise gibt es in allen westlichen Ländern. In Schweden, England und den USA müssen die aufgedruckten Texte variieren, um den Aufmerksamkeitswert zu erhöhen. Isländische Zigarettenpäckchen sind mit dem Aufdruck einer rauchgeschwärzten Lunge geziert. Kosmetische Maßnahmen Die bundesdeutschen Maßnahmen sind gemessen daran die schwächsten Ausdrucksformen staatlichen Good–wills überhaupt. Das Verbot der Fernsehwerbung wird blendend durch das Sponsern internationaler Sport– und Kulturveranstaltungen aufgefangen, die den Markennamen deutlich sichtbar auch über deutsche Fernseh–Kanäle bringen. Zu wirklich einschneidenden Maßnahmen, wie einem generellen Werbeverbot oder der Beschränkung des Tabakverkaufs auf den Fachhandel, mochten und mögen sich bundesdeutsche Politiker trotz des Jammerns über die immensen volkswirtschaftlichen Kosten des Rauchens nicht durchringen. Dennoch scheinen sie an dem wachsenden Gesundheitsbewußtsein ihrer Wähler nicht vorbeizukommen. Gleich mehrere Vorschläge zum Eindämmen der Rauchschwaden kamen in den letzten Wochen aus Politikerkreisen. Klaus Töpfer, noch in seiner Eigenschaft als rheinland–pfälzischer Gesundheitsminister, hatte am Rande eines Kolloquiums zu Krebserkrankungen vorgeschlagen, einen „Krebspfennig“ auf den Preis jeder Zigarette aufzuschlagen. Als neu bestallter Bundesumwelt–Minister zog er seinen Vorschlag mit der Begründung, er sei „offenbar politisch nicht mehrheitsfähig“, wieder zurück. Der Minister habe damals nur „laut gedacht“, heißt es heute dazu aus seinem Ministerium. An dem Ärger der Nichtraucher über die ständige Umnebelung setzen die Vorstöße des CDU–Gesundheitsexperten Roland Sauer an. Er forderte ein generelles Rauchverbot in allen öffentlichen Institutionen, in Arztpraxen und Kindergärten sowie an jedem Arbeitsplatz, sofern ein Mitarbeiter darauf besteht. Sauer ist davon überzeugt, für eine solche Gesetzesvorlage bald eine parlamentarische Mehrheit zu finden. Doch das ist zweifelhaft. Schon formiert sich die Raucher– und Zigarettenlobby. Der FDP–Sozialexperte Dieter Julius Cronenberg ist, ähnlich wie viele Kollegen quer durch die Parteien, gegen jede Zwangsmaßnahme. „Raucher sind keine Verbrecher“, meint Cronenberg, im übrigen sei es „praktizierte Intoleranz“, wenn Nichtraucher darüber bestimmen dürften, ob andere rauchen. Neues Aktionsprogramm Ein Rauchverbot sei in den Koalitionsverhandlungen nicht vereinbart, warnt auch der FDP–Abgeordnete Norbert Eimer. Hilfestellung für die diskriminierenden Raucher bietet auch die „Erste Raucher Lobby“, die mit der Parole „Rauchen macht nicht impotent“ in die Offensive geht, und die einem Gerücht im Bundeshaus zufolge im Rahmen einer Veranstaltung der Zigaretten–Industrie entstanden sein soll. An einem Aktionsprogramm zur Förderung des Nichtrauchens läßt auch Gesundheitsministerin Rita Süssmuth in ihrem Hause werkeln, nachdem sie Umweltminister Töpfer mit seinem „Krebspfennig“–Vorschlag in die Grenzen seines neuen Ressorts verwiesen hatte. Ihr Ansatzpunkt ist vor allem der hohe Zigaretten–Konsum von Jugendlichen. 17 Prozent der 14– bis 17jährigen und 47 Prozent der 18– bis 20jährigen sind Raucher. Die Gesundheitsministerin möchte ihnen den Zugang zur Ware erschweren: keine Zigaretten–Automaten in Schul– oder Jugendheim–Nähe, kein Verkauf an Ladenkassen. Allgemein befürwortet die Ministerin die Umrüstung von Zigaretten–Automaten als Bezugsquelle für Papiertaschentücher oder Kondome. Umstritten ist die Frage, welchen Einfluß die Verknappung der Bezugsquellen für Zigaretten auf den Konsum hat. Der Sprecher des Bundesverbandes der Zigarettenindustrie, Brückner, hält Zugangserschwernisse zu Zigaretten für unwirksam und unsinnig. Auswirkungen habe es allein, wenn die Gelegenheiten zum Rauchen genommen würden, weil nicht gerauchte Zigaretten erfahrungsgemäß nicht nachgeraucht würden. Dieser Einschätzung widerspricht Christa Merford–Dieter von der Hauptstelle gegen Suchtgefahren mit Entschiedenheit. Daß die Zugänglichkeit von Drogen ein Faktor im Suchtverhalten ist, sei erwiesen. Sie verweist auf eine Studie „Jugend fragt Jugend“, aus der hervorgeht, daß die Zugänglichkeit von Automaten im Zigaretten–Konsum von Jugendlichen durchaus eine Rolle spielt. Doch bis zur Vorlage des Süssmuth–Entwurfs im nächsten November werden gerade solche Maßnahmen aus dem Aktionsprogramm herausgenommen sein. Die Lobby schlägt zurück Die Zigaretten–Industrie macht jetzt schon Druck: „Wir Zigarettenanbieter dürfen keinen Schritt mehr freiwillig nachgeben“, sagt der Vizepräsident des Verbandes der Zigarettenindustrie, Günter Wille, und sein Pressesprecher Brückner stellt klar: „Die Automaten sind ein unverzichtbarer Vertriebsweg.“ Tatsächlich kommen 40 Prozent der Zigarettenpäckchen über die 750.000 Automaten an die Kunden, weitere 40 Prozent über den Selbstbedienungsverkauf an Ladenkassen. Dem Vorschlag der Gesundheitsministerin wird demzufolge wohl ein ähnliches Schicksal beschieden sein wie schon den Vorschlägen von Töpfer und Sauer: politisch nicht durchsetzungsfähig. Durchsetzbar könnte allenfalls eine der im Ministerium diskutierten Maßnahmen sein: Warntafeln und Aufdrucke auf Zigarettenschachteln „Rauchen gefährdet junge Menschen besonders“. Auch hier möchte die Zigarettenindustrie noch eine Abschwächung durchsetzen. Sie schlägt stattdessen vor: „Jugendliche sollen nicht rauchen.“ Imma Harms

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