: Rau hält Ex-Kommunisten auf Distanz
Aus Angst vor konservativen Schmuddelkampagnen läßt Rau den grünen Regierungssprecher nicht in die Staatskanzlei. Der frühere DKP-Mann kommt ins grüne Bauministerium ■ Aus Düsseldorf Walter Jakobs
Das war gewiß eine schwere politische Geburt. Doch in den letzten Tagen ging das monatelange Gezerre um eine brisante Personalauswahl hinter den rot-grünen Kulissen in Düsseldorf endlich zu Ende. In der kommenden Woche soll das Ergebnis offiziell verkündet werden: Werner Stürmann, der langjährige Pressesprecher der grünen Landtagsfraktion, wird stellvertretender Regierungssprecher in Nordrhein-Westfalen.
Daß diese Personalentscheidung vor allem dem Ministerpräsidenten Johannes Rau so schwer fiel, hat mit Zweifeln an der fachlichen und menschlichen Qualifikation von Stürmann nichts, viel aber mit dessen politischer Biographie zu tun.
Schon in jungen Jahren war der heute 45jährige Stürmann – aus der evangelischen Jugend kommend – bei der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP) gelandet. Beseelt von der kommunistischen Idee stieg Stürmann – in jenen Jahren ein überzeugter Anhänger des Realsozialismus Marke DDR – in der DKP-Jugendorganisation SDAJ bald zum Vorsitzenden auf. So manchem in der DKP- Führung galt der Hamburger Junggenosse lange Zeit als das große Nachwuchstalent der Partei. Von 1981 bis 1989 gehörte Stürmann dem DKP-Präsidium, dem höchsten Führungsgremium der Partei, an. Dort flog er Anfang 1989 raus – wegen unerwünschter demokratischer Anwandlungen. Die waren nicht zuletzt durch den Führer der sowjetischen Bruderpartei, Michail Gorbatschow, in den Jahren zuvor langsam gereift.
Bis 1979, vor dieser Wahrheit steht Stürmann heute noch ziemlich fassungslos, „war ich politisch vollständig verbohrt, ein dogmatischer, gläubiger Kommunist“. Dann begann ein „schmerzvoller Loslösungsprozeß“, der ihn lange vor seinem Rausschmiß aus dem Präsidium zunächst zum parteiinternen Kritiker und später zur führenden Kraft der „Erneuerungsströmung“ innerhalb der Partei werden ließ. Als er im Juni 1989 in einem Interview öffentlich die Frage „nach dem Sinn des Kommunistseins in unserer Zeit“ stellte, da stand für ihn selbst die Antwort schon fest: Es folgte der Austritt aus der DKP und Anfang 1990 der Eintritt bei den Grünen.
Seinen Lebensunterhalt verdiente er zunächst als freier Journalist, dann als Redakteur der in Berlin erscheinenden linken Ost- West-Wochenzeitung Freitag. Anfang Mai 1992 verließ er den Berliner Schreibtisch, um als Pressesprecher der Grünen in den Düsseldorfer Landtag zu wechseln. Bei den Journalisten zählte Stürmann bald zu den gefragtesten Gesprächspartnern. Linke wie konservative Kollegen schätzten gleichermaßen seine Kompetenz, Verläßlichkeit und Offenheit, die auch eine kritische Auseinandersetzung mit seiner eigenen politischen Vergangenheit einschloß.
Sein Abschied vom Totalitarismus vollzog sich als Prozeß. Gorbatschows Parole, „wir brauchen die Demokratie wie die Luft zum Atmen“, half ihm dabei ebenso wie die Literatur von Dissidenten und zu Demokraten gewandelten Ex-Kommunisten wie etwa J. Semprún oder M. Sperber. Mit freiem Kopf zu erkennen, daß der Marxismus-Leninismus und das kommunistische Konzept von der „Diktatur des Proletariats“ in einem antagonistischen Widerspruch zum demokratischen Prinzip stehen, bedurfte es danach nicht mehr viel.
Die Frage, warum es bis zum Bruch mit der kommunistischen Ideologie so lange dauerte, beantwortet Stürmann heute so: „Ich war ein Kommunist aus Idealismus und habe die entsprechende Ideologie als bessere Moral verstanden und so ein totalitäres Politikverständnis übernommen.“ Und diese vermeintlich bessere Moral, das hat schon Camus glänzend formuliert, „ist die Mutter des Fanatismus und der Verblendung“. Stürmann nimmt für sich zu Recht in Anspruch, mit dem Totalitarismus aus innerer Überzeugung gebrochen und aus Erfahrungen gelernt zu haben.
Zweifel an diesem Läuterungsprozeß waren es nicht, die dazu führten, daß Düsseldorfs Regierungschef Johannes Rau sich wochenlang sträubte, den grünen Kandidaten in seine Staatskanzlei als stellvertretenden Regierungssprecher vorzulassen. Nein, die Angst vor einer konservativen Kampagne nach dem Motto: „Der Kommunist an Raus Seite“, ließ den Ministerpräsidenten zögern. Mit der jetzt gefundenen Lösung, Stürmann zunächst beim stellvertretenden Ministerpräsidenten Michael Vesper im Bauministerium anzusiedeln, hofft Rau einer solchen Kampagne den Wind aus den Segeln nehmen zu können.
Offiziell dürfte das „Modell“ in der nächsten Woche von Grünen und Sozialdemokraten unisono als sachgerechte Lösung nach dem Muster des ersten rot-grünen hessischen Kabinetts verkauft werden. Dort wurde Georg Dick als stellvertretender Regierungssprecher in Joschka Fischers Umweltministerium plaziert. Dessen weitere Karriere ist womöglich auch für Stürmann richtungsweisend. Dick sitzt inzwischen da, wo ein stellvertretender Regierungssprecher üblicherweise Platz nimmt: neben dem Regierungssprecher in der Staatskanzlei.
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