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Rattenplage in IndienImmer wenn der Bambus blüht

Um der ungeheuren Nagerplage Herr zu werden, setzt Indien die Armee gegen die Ratten ein. Schon eine Million Menschen sind vom Hunger bedroht. Regierung befürchtet Aufstand.

Bambus blüht nur etwa alle fünzig Jahre. Bild: ap

DEHLI taz Die Menschen in Mizoram und Manipur, zwei kleinen Bundesstaaten im Nordosten Indiens, wussten, dass es irgendwann wieder so weit sein würde. Als dann im November eine regionale Bambusart begann, in der gesamten Region zu blühen, stellten sich die Menschen auf die Katastrophe ein: Denn auf die Blüte, die nur etwa alle fünfzig Jahre eintritt, folgt stets eine gewaltige Rattenplage.

So kam es dann nur wenige Wochen später. Millionen Ratten überfielen Mizoram und Manipur, die zwischen Bangladesch und Burma liegen, und fraßen sich durch die Bundesstaaten. Sie hatten es auf die Bambusfrucht abgesehen. Mehr ein Drittel Manipurs ist von Bambuswäldern bedeckt. Es wird vermutet, dass die proteinhaltigen Samen in der Frucht die Fruchtbarkeit der Ratten drastisch erhöhen. Die Tiere vermehrten sich in einer nie gesehenen Geschwindigkeit und begannen, die Reis- und Getreidefelder der Region leer zu fressen.

Nun ist bis zu einer Million Menschen von Hunger bedroht. Vertreter lokaler Hilfsorganisationen berichten, viele Bewohner der am schlimmsten betroffenen Dörfer gingen auf der Suche nach Essbarem in die Wälder.

Dabei hatten sich die Bundesstaaten seit vier Jahren auf die Katastrophe vorbereitet. Ein "Kopfgeld" in Höhe von etwa 2 Cent pro getötete Ratte wurde ausgegeben, Massen getöteter Ratten wurden öffentlich verbrannt. Die Behörden verteilten kostenlos Rattengift und Fallen. Allein 2006 wurden auf diese Art 200.000 der Nager getötet. Doch es half nichts: Die Nager verbreiteten sich weiterhin ungebremst.

Delhi ist alarmiert. Denn die letzte große Rattenplage in Mizoram in den Jahren 1958/59 hatte weit reichende Folgen, die bis heute andauern. In der Hungersnot, die der Invasion der Ratten folgte, radikalisierte sich ein großer Teil der Menschen, als Hilfsmaßnahmen der Zentralregierung nur schleppend anliefen.

Eine Nationale Mizoram-Dürrefront (MNFF) militanter Separatisten bildete sich und half den Menschen in den betroffenen Regionen. Damit gewannen die Rebellen die Unterstützung der Dorfbewohner, von denen sich viele in den folgenden Jahren den Separatisten anschlossen. Aus der MNFF wurde die Nationale Front Mizorams (MNF).

Ein Aufstand gegen die Regierung in Delhi und der Kampf für eine Unabhängigkeit des Bundesstaates begannen. Bis heute liefern sich in der unübersichtlichen Region bewaffnete Separatisten nahezu jeden Tag Gefechte mit indischen Sicherheitskräften.

Daher zögerte Delhi diesmal nicht lange, sondern leitete umgehend Hilfsmaßnahmen ein. Die Armee, die wegen der Unruhen in der Region ohnehin in großer Zahl präsent ist, rückte aus, um gegen die Ratten vorzugehen. Vertreter von Sondereinheiten zeigen Dorfbewohnern, wie sie Vorsorgen gegen die Ratten treffen und viele von ihnen gezielt töten können. Delegationen von Politiker besuchen die Region und sichern den Menschen Hilfsgelder zu.

Die weltweit steigenden Lebensmittelpreise dürften in Delhi für zusätzliches Kopfzerbrechen sorgen. Denn schon dringen Berichte aus den Katastrophengebieten, dass sich verzweifelte Dorfbewohner von Rattenfleisch ernähren, um zu überleben.

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