■ Spanien: Massenabschiebung von Schwarzafrikanern: Ratlosigkeit links und rechts
„Es gab ein Problem, und es wurde gelöst.“ So versuchte Spaniens Regierungschef Aznar die Kritik nach der Abschiebung von 103 Schwarzafrikanern vom Tisch zu wischen. Jetzt ist klar, wie die Problemlösung aussah: gewaltsame Verhaftungen, Ignorieren von Asylanträgen, Einschläfern der Deportierten, das Verbringen in für viele von ihnen fremde Länder. Das Schlimmste ist, daß man bei vielen nicht einmal weiß, wo sie sich nun befinden. „Ein nicht gerade modellhafter Einsatz“, gesteht Innenminister Jaime Mayor Oreja und versucht sich mit dem Verweis auf die Politik seiner sozialistischen Vorgänger reinzuwaschen.
Ein Asylantrag bietet schon längst keinen Schutz mehr. So gerieten 1993 zehn marokkanische Jugendliche in die Schlagzeilen, die als blinde Passagiere auf einem Frachter in Valencia ankamen. Ihr Asylantrag wurde nicht einmal gesichtet. Sie wurden sofort in ihre Heimat abgeschoben. Das war auch schon damals ein klarer Verstoß gegen internationales Recht.
Spanien ist die komplizierteste Außengrenze Europas. Selbst wenn es eines Tages gelingen sollte, die beiden nordafrikanischen Enklaven Ceuta und Melilla hermetisch abzuriegeln, bleibt immer noch der Weg über die nur 14 Kilometer breite Meerenge von Gibraltar. Täglich kommen so neue Illegale ins Land. Und für sie sieht Europa nur eines vor: einen Tritt in den Hintern. Das haben nicht nur in Spanien längst die meisten politischen Parteien, ob links, ob rechts, mangels anderer Antworten akzeptiert. Wie weit die ideologischen Verrenkungen dabei gehen können, führte der Sprecher der Vereinigten Linken im Rechtsausschuß, Willi Meyer, vor. Zum einen kritisierte er die Massenabschiebung wegen der prekären Menschenrechtslage in den Zielländern Kamerun, Mali und Senegal, auf der anderen Seite forderte er von der Regierung, daß sie auf Marokko einwirke, endlich das 1992 unterschriebene Kettenabschiebeverfahren einzuhalten. Als wäre es um die Menschenrechte in Marokko besser bestellt als in Zentralafrika. Reiner Wandler
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