Ratingagentur rät vom Reaktorbau ab: „AKW-Neubau kaum attraktiv“
Lohnt sich Atomkraft für Unternehmen? Eher nicht, meint Tuomas Erik Ekholm von der Ratingagentur Standard & Poors. Gleiches gelte auch für fossile Kraftwerke.
taz: Herr Ekholm, RWE hat kürzlich angekündigt, keine Atomkraftwerke mehr zu bauen. Was bedeutet das für die Bonität des Energiekonzerns?
Tuomas Erik Ekholm: Der Neubau von Atomkraftwerken erfordert sehr hohe Investitionen. Die Bauzeit ist extrem lang, sie dauert mehr als fünf Jahre. Da während der Bauphase kein Ertrag generiert werden kann, werden die Finanzkennzahlen für den Investor durch ein solches Projekt grundsätzlich zunächst schlechter.
So gesehen könnte das Rating von RWE durch den Rückzug aus den geplanten Projekten profitieren. Unsere Ratings haben allerdings einen langfristigen Blickwinkel, die Kennzahlen allein müssen nicht ausschlaggebend sein.
Ist Atomkraft grundsätzlich schlecht für die Bewertung eines Unternehmens?
Aus Ratingsicht nicht. In der Betriebsphase ist das Kraftwerk für das Unternehmen attraktiv, weil es zu niedrigen Kosten Strom erzeugt. Aber betrachtet man bei Neubauten das gesamte Investment, dann fließen viele wirtschaftliche Risikofaktoren in die Bewertung ein, von Kostensteigerungen beim Bau bis zu den Rückbau- und Entsorgungskosten.
Da außerdem die Preise auf den Strommärkten gerade recht niedrig sind, sind neue Atomkraftwerke für die Unternehmen derzeit kaum attraktiv – entsprechend werden in Europa auch fast keine gebaut. Zudem kann ein unternehmerisches Risiko auch durch fehlende langfristige politische Akzeptanz entstehen.
Muss man Atomkraftwerke seit Fukushima neu bewerten?
ist bei Standard & Poors für die Bewertung von Infrastruktur-Finanzierungen zuständig. Die Ratingagentur untersucht auch die Bonität von Energiekonzernen.
Die gesellschaftliche Akzeptanz einer Technik geht immer dann in die Analyse mit ein, wenn es wie bei Kraftwerken um ein Investment geht, das viele Jahrzehnte Ertrag bringen soll. Und die Akzeptanz gegenüber der Atomenergie hat durch Fukushima in vielen Ländern abgenommen. Das kann zu neuen Sicherheitsauflagen führen, was zusätzliche Kosten verursacht und damit das wirtschaftliche Risiko von Neubauten erhöht.
Bewerten Sie den Bau anderer Kraftwerke besser?
Auch der Bau fossiler Kraftwerke ist derzeit nicht besonders attraktiv. Die subventionierten erneuerbaren Energien verdrängen wegen ihres Vorrangs bei der Netzeinspeisung die konventionellen Kraftwerke immer öfter aus dem Netz. Es fehlt den Anlagen daher an den nötigen Laufzeiten, die pro Jahr erzielt werden müssen, um das Investment zu amortisieren. Außerdem birgt auch ein steigender CO2-Preis für die Anlagen ein finanzielles Risiko.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Scholz bezeichnet russischen Raketeneinsatz als „furchtbare Eskalation“
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Haftbefehl gegen Benjamin Netanjahu
Er wird nicht mehr kommen