Rat und Attentat: Fragen Sie Dr. Sawahiri
Bislang konnten sich Internet-Nutzer per Mail an die Führung al-Qaidas wenden: "Sie fragen - wir antworten", hieß es. Jetzt kommen die Antworten per Audiobotschaft.
KAIRO taz Al-Qaida wird in seiner Öffentlichkeitsarbeit immer dreister. Noch geben Bin Laden und die Seinen keine Pressekonferenz in den Höhlen an der afghanisch-pakistanischen Grenze, wo sie vermutet werden. Aber die neuste Al-Qaida-Operation kommt dem schon recht nahe.
"Sie fragen - wir antworten, sobald es geht", ist die neueste Idee des Al-Sahab-Medienflügels, der für die Öffentlichkeitsarbeit der militanten Organisation zuständig ist. Die Nummer zwei al-Qaidas, der Ägypter Aiman Sawahiri, hat jetzt begonnen, via Internet Fragen zu beantworten, die in den letzten Monaten per E-Mail an ihn gerichtet werden konnten. Einsendeschluss war der 16. Januar. Bis zu diesem Zeitpunkt konnten die Fragen an die einschlägigen Internetforen al-Qaidas gerichtet werden. Diese Woche hat Sawahiri in einer ersten 90-minütigen Folge einer geplanten Serie von Audio-Internet-Auftritten nun begonnen, etwas mehr als 100 der bisher 900 gestellten Fragen zu beantworten. Sawahiri bedankt sich zunächst für das große Interesse, man möge ihm nachsehen, dass er die Fragen aufgrund der Umstände nicht unmittelbar, sondern nur zeitverzögert beantworten könne.
Viele wollen mehr über die langfristige Strategie al-Qaidas wissen, andere erwarteten sich Rat, wie sie in ihrem Umfeld den heiligen Krieg organisieren sollen. Aber auch viele kritische Fragen liefen ein. "Mr. Sawahri, wer bringt mit dem Segen Ihrer Exzellenz Unschuldige in Bagdad, Marokko oder Algerien um, wie rechtfertigen Sie das?", schrieb etwa ein algerischer Erdkundelehrer. Antwort auf dem neuen Sawahari-Tonband: "Wir haben keine Unschuldigen in diesen Ländern getötet." Wenn Unschuldige umgekommen seien, dann sei das entweder unbeabsichtigt oder notwendig gewesen. "Der Feind baut seine Positionen absichtlich inmitten der Muslime auf, um diese als menschliche Schilde zu benützen", verteidigt Sawahiri den muslimischen Kollateralschaden. Zu einem Anschlag "al-Qaidas im Maghreb", auf ein Büro in Algier im letzten Dezember, bei dem 41 Menschen, darunter 18 UN-Angestellte, drei davon Ausländer, umgekommen waren, sagt er: "Gemäß einer Erklärung, die wir von unseren Brüdern al-Qaidas im Maghreb erhalten haben, handelte es sich um Kreuzfahrer und Regierungstruppen, die diese verteidigen", meint Sawahiri dazu.
Überhaupt, die Vereinten Nationen: "Sie sind der Feind des Islam und der Muslime. Die UNO hat die Gründung Israels legitimiert und nimmt den Muslimen Land weg", sagt Sawahiri. Er wirft der UNO vor, mit zweierlei Maß zu messen. Die UNO habe die Anwesenheit von "Kreuzfahrern" in Afghanistan und im Irak abgesegnet, genauso wie die Spaltung Osttimors von Indonesien, klagt Sawahiri. Gleichzeitig erkenne die UN aber nicht die Selbstbestimmungsrechte der Muslime in Tschetschenien und in anderen Teilen des Kaukasus an, noch in Kaschmir oder den spanischen Enklaven in Marokko in Ceuta und Melilla, führt er aus.
Immer wieder versucht sich Sawahiri auch des Eindrucks vieler Fragesteller zu erwehren, dass dem globalen Dschihad und seinem Anführer langsam die Luft ausgehe. "Scheich Ussama Bin Laden geht es gesundheitlich gut, durch die Gnade Gottes", sagt er. Immer wieder, fährt er fort, würden falsche Informationen über seine Gesundheit gestreut. "Irgendwann wird er sterben, aber der Islam wird bleiben, bis Gott die Erde und alles, was auf ihr ist, erben wird."
Seinen Anhängern versucht Sawahiri Vertrauen einzuflößen. "Ich erwarte, dass der Dschihad sich ausbreitet. Nachdem die Amerikaner den Irak verlassen haben, wird der heilige Krieg nach Jerusalem wandern", prophezeit er. Doch auch den arabischen Regimen kündigt er ein baldiges Ende an, dem saudischen Könighaus, das "gegen die Geschichte schwimmt", und der Regierung seine Geburtslandes Ägypten, mit "seiner korrupten und verrotteten Regierung, die sich nicht mehr lange halten kann".
Auf die Frage, wann der Dschihad wieder in Ägypten beginnen wird, antwortet er mit einem arabischen Sprichwort: "Die Tage werden dir eröffnen, was du noch nicht weißt, und Neuigkeiten werden zu jenen kommen, die bisher noch nichts von ihnen geahnt haben."
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