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Rat der Vertriebenen-StiftungSteinbach machts nur ohne SPD

Vertriebenen-Chefin Erika Steinbach spekuliert auf eine CDU-geführte Regierung nach der Wahl. Sie will ihren Sitz im Rat der Bundesstiftung einnehmen, wenn die SPD nicht regiert.

Hofft, dass die Kanzlerin Kanzlerin bleibt: Erika Steinbach. Bild: dpa

BERLIN taz Der Bund der Vertriebenen (BdV) macht sich Hoffnung auf einen Regierungswechsel nach der Bundestagswahl am 27. September: Am Dienstag kündigte die Vorsitzende Erika Steinbach an, sie werde ihren Sitz im Stiftungsrat der Bundesstiftung "Flucht, Vertreibung, Versöhnung" einnehmen, wenn die SPD nicht mehr an der Regierung sei. Der Verband hatten seinen Sitz nicht besetzt, weil die SPD sich vehement gegen Steinbach ausgesprochen hatte. "Mit diesem Koalitionspartner der Union wird es nicht möglich sein", sagte das CDU-Bundesvorstandsmitglied Steinbach. Im Wahlprogramm habe ihre Partei bereits betont, dass der BdV selbstständig über die Besetzung des Sitzes entscheiden könne.

Erika Steinbach ist eine der unbeliebtesten und meistgefürchteten ausländischen PolitikerInnen in Polen. Ihre Nominierung für einen Sitz im Stiftungsrat der geplanten Vertriebenengedenkstätte hatte im Frühjahr zu heftigen deutsch-polnischen Irritationen geführt. Daraufhin hatte der BdV beschlossen, seinen Sitz im Stiftungsrat erst einmal demonstrativ nicht zu besetzen. Die geplante Gedenk- und Ausstellungsstätte im Zentrum Berlins soll an das Schicksal der Vertriebenen erinnern. Dieser Plan ist seit Jahren umstritten und hat die Beziehungen Deutschlands zu seinen Nachbarn in Mittel- und Osteuropa bereits stark belastet.

Im Stiftungsrat der Bundesstiftung haben unter anderem Vertreter der Bundesregierung, der Parteien und der Kirchen einen Sitz. Die Bundesregierung hatte Anfang April die Mitglieder des Stiftungsrates berufen. Die SPD hatte sich vor allem aus außenpolitischen Gründen vehement gegen eine Nominierung Steinbachs ausgesprochen. Im Mai hatte die Stiftung "Flucht, Vertreibung, Versöhnung" ihre Arbeit aufgenommen. Die Gedenkstätte soll im "Deutschlandhaus" bei der Ruine des Anhalter Bahnhofs in Berlin ihren Sitz finden.

Steinbach kündigte zudem an, dass in der Hauptstadt im Kronprinzenpalais Unter den Linden ab dem 15. Juli eine Ausstellung ihrer Stiftung "Zentrum gegen Vertreibungen" zu sehen sein wird. Sie wird "Die Gerufenen" heißen und die deutschen Zivilisationen in Osteuropa beleuchten - etwa der Wolgadeutschen oder Donauschwaben.

Die "deutsche Ostsiedlung" außerhalb des deutschen Reiches von 1871, so die gewagte These Steinbachs, erfolgte seit dem Mittelalter "zumeist überwiegend friedlich". Irritationen bei den östlichen Nachbarn seien wegen des Titels nicht zu befürchten, meinte die Vertriebenenchefin.

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14 Kommentare

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  • T
    thomsen

    Als Sprecherin für Menschenrechte der CDU-CSU-Fraktion im Bundestag und Vorsitzende des Bundes der Vertriebenen sollte es eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein, dass E.S. einen der drei Sitze einnimmt, die dem BdV im Stiftungsbeirat zustehen. Frau Steinbach hat sich schliesslich wie niemand sonst für die Gründung einer Erinnerungsstätte eingesetzt.

     

    Erika Steinbach ist sicherlich undiplomatisch, kompromisslos, und manchmal schwer erträglich - aber

    warum die SPD sich so an ihr festbeißt, ist mir unverständlich. Die polnische Kampagne gegen sie war so maßlos überzogen, daß man dieser Kampagne hätte ruhig und bestimmt entgegentreten sollen, statt in dasselbe Horn zu tuten.

     

    Wie die Geschichte auch immer weitergeht - historische Tatsachen kann man auf die Dauer nicht unter den Teppich kehren, und letzlich wird es wohl auch eine Versöhnung zwischen polnischen Politikern und deutschen Vertriebenenpolitikern geben.

     

    Man denke nur daran, wie auf den Herrn Hupka eingedroschen worden ist, dessen Mutter Theresienstadt überlebt hat, und wie er am Ende Ehrenbürger seiner Heimatstadt Ratibor/Raciborz wurde.

     

    Man erinnere sich aber auch daran, wie übel Wenzel Jaksch mitgespielt worden ist, der im englischen Exil als tschechoslowakischer Sozialdemokrat für die Befreiung seiner Heimat eingetraten ist, um dann als sudetendeutscher Flüchtling in Deutschland zu landen - und schliesslich nicht einmal mehr in seiner eigenen Partei akzeptiert zu werden.

     

    Es ist diese bösartige Selbstgerechtigkeit der "Wohlmeinenden", welche viele Linke trotz ihrer guten Absichten auf die Dauer so unerträglich macht.

     

    Was aber die "deutsche Ostsiedlung" außerhalb des Bismarckreiches angeht, wohlgemerkt _vor_ dem 1. Weltkrieg - so würde es mich wundern, zu erfahren, wo - mit Ausnahme des Baltikums - diese gewaltsam erfolgt sein soll, und warum das eine "gewagte These" der Frau Steinbach sei.

     

    Die meisten deutschen Siedler, in Siebenbürgen, im Banat, in Bessarabien, an der Wolga, wurden von den jeweiligen Landesherren dorthin geholt, um dünn besiedelte Gegenden wirtschaftlich aufzuwerten.

    Die Deutschen etwa im damals russisch besetzten polnischen Lodz kamen dorthin einfach, um mit Tuchfabriken Geld zu verdienen. Die deutschen Siedler in den Randgebieten Böhmens und Ungarns kamen dort in dünnbesiedelte Wald- und Gebirgsgegenden, oder z.B. als Bergleute - ähnlich sind deutsche Bergleute bis nach Norwegen gekommen.

     

    Mit einem Wort: die deutsche Ostsiedlung, von der E. S. spricht, war zum großen Teil das, was man heute als "Migration" so gerne herausstellt. Aber das möchten halt manche Leute lieber gar nicht wissen, und wenn sich E.S. traut, an solche Tatsachen zu erinnern, dann umso schlimmer für die Tatsachen.

     

    Aber - Pravda vitesi! wie es auf Tschechisch heisst.

  • M
    manfred (57)

    Tja, da waren denn wohl die Bedenken der Polen gegen diese Stiftung nicht ganz so unbegründet, wie uns die hiesige Presse weis machen wollte.

  • V
    vic

    Steinbach mag die SPD also nicht.

    Das macht mir die SPD schon beinahe wieder sympathisch.

  • RS
    rolf stern

    tja, ob das nun nicht dann doch nen echt guter grund für meine stimme bei der spd wäre?!!....

  • S
    Sakralpunker

    Erika Steinbach bezeichnet sich als Vertriebene. Oh ja, sie wurde vertrieben aus Polen zurück in ihre Heimat nach Hessen. Ihr Vater war deutscher Besatzungssoldat in Rumia und sorgte in dieser Funktion während des 2. Weltkriegs für den reibungslosen Abtransport von Juden und Polen in die Vernichtungslager. Ist es ein Wunder, dass die Familie zurückgeschickt wurde in den Westen?? Sich dann als Vertriebene zu bezeichnen ist im besten Fall unverschämt und respektlos.

    Sie kann sicherlich nichts für die Untaten ihres Vaters, aber diese Dame reist heute durch die Republik und hält reden bei rechtsradikalen schlageneden Verbindungen.

  • H
    Hans

    Als Kind von einer noch in Ostpreußen geborenen Mutter gelte auch ich offiziell als Vertriebener. Dann möchte ich es mir auch nicht nehmen lassen, eindeutig Position zu beziehen:

     

    Steinbach, Sie sprechen und hetzen nicht in meinem Namen und auch nicht in dem vieler anderer, die Sie sich zu vertreten anmaßen. Es ist eines modernen, aufgeklärten und friedlichen Deutschlands unwürdig, was Sie anrichten. Weg mit ihnen! Endlich weg mit ihnen!

     

    Ich will Frieden und Freundschaft mit allen deutschen Nachbarländern!

  • A
    alcibiades

    Wen vertritt diese unmögliche Frau eigentlich?

    Unter den Kindern und Enkeln der vertriebenen gibt es doch wohl nicht nur Reaktionäre - das müsst ich nämlich wissen, sonst wär ich ja selbst einer!

  • T
    thomsen

    Als Sprecherin für Menschenrechte der CDU-CSU-Fraktion im Bundestag und Vorsitzende des Bundes der Vertriebenen sollte es eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein, dass E.S. einen der drei Sitze einnimmt, die dem BdV im Stiftungsbeirat zustehen. Frau Steinbach hat sich schliesslich wie niemand sonst für die Gründung einer Erinnerungsstätte eingesetzt.

     

    Erika Steinbach ist sicherlich undiplomatisch, kompromisslos, und manchmal schwer erträglich - aber

    warum die SPD sich so an ihr festbeißt, ist mir unverständlich. Die polnische Kampagne gegen sie war so maßlos überzogen, daß man dieser Kampagne hätte ruhig und bestimmt entgegentreten sollen, statt in dasselbe Horn zu tuten.

     

    Wie die Geschichte auch immer weitergeht - historische Tatsachen kann man auf die Dauer nicht unter den Teppich kehren, und letzlich wird es wohl auch eine Versöhnung zwischen polnischen Politikern und deutschen Vertriebenenpolitikern geben.

     

    Man denke nur daran, wie auf den Herrn Hupka eingedroschen worden ist, dessen Mutter Theresienstadt überlebt hat, und wie er am Ende Ehrenbürger seiner Heimatstadt Ratibor/Raciborz wurde.

     

    Man erinnere sich aber auch daran, wie übel Wenzel Jaksch mitgespielt worden ist, der im englischen Exil als tschechoslowakischer Sozialdemokrat für die Befreiung seiner Heimat eingetraten ist, um dann als sudetendeutscher Flüchtling in Deutschland zu landen - und schliesslich nicht einmal mehr in seiner eigenen Partei akzeptiert zu werden.

     

    Es ist diese bösartige Selbstgerechtigkeit der "Wohlmeinenden", welche viele Linke trotz ihrer guten Absichten auf die Dauer so unerträglich macht.

     

    Was aber die "deutsche Ostsiedlung" außerhalb des Bismarckreiches angeht, wohlgemerkt _vor_ dem 1. Weltkrieg - so würde es mich wundern, zu erfahren, wo - mit Ausnahme des Baltikums - diese gewaltsam erfolgt sein soll, und warum das eine "gewagte These" der Frau Steinbach sei.

     

    Die meisten deutschen Siedler, in Siebenbürgen, im Banat, in Bessarabien, an der Wolga, wurden von den jeweiligen Landesherren dorthin geholt, um dünn besiedelte Gegenden wirtschaftlich aufzuwerten.

    Die Deutschen etwa im damals russisch besetzten polnischen Lodz kamen dorthin einfach, um mit Tuchfabriken Geld zu verdienen. Die deutschen Siedler in den Randgebieten Böhmens und Ungarns kamen dort in dünnbesiedelte Wald- und Gebirgsgegenden, oder z.B. als Bergleute - ähnlich sind deutsche Bergleute bis nach Norwegen gekommen.

     

    Mit einem Wort: die deutsche Ostsiedlung, von der E. S. spricht, war zum großen Teil das, was man heute als "Migration" so gerne herausstellt. Aber das möchten halt manche Leute lieber gar nicht wissen, und wenn sich E.S. traut, an solche Tatsachen zu erinnern, dann umso schlimmer für die Tatsachen.

     

    Aber - Pravda vitesi! wie es auf Tschechisch heisst.

  • M
    manfred (57)

    Tja, da waren denn wohl die Bedenken der Polen gegen diese Stiftung nicht ganz so unbegründet, wie uns die hiesige Presse weis machen wollte.

  • V
    vic

    Steinbach mag die SPD also nicht.

    Das macht mir die SPD schon beinahe wieder sympathisch.

  • RS
    rolf stern

    tja, ob das nun nicht dann doch nen echt guter grund für meine stimme bei der spd wäre?!!....

  • S
    Sakralpunker

    Erika Steinbach bezeichnet sich als Vertriebene. Oh ja, sie wurde vertrieben aus Polen zurück in ihre Heimat nach Hessen. Ihr Vater war deutscher Besatzungssoldat in Rumia und sorgte in dieser Funktion während des 2. Weltkriegs für den reibungslosen Abtransport von Juden und Polen in die Vernichtungslager. Ist es ein Wunder, dass die Familie zurückgeschickt wurde in den Westen?? Sich dann als Vertriebene zu bezeichnen ist im besten Fall unverschämt und respektlos.

    Sie kann sicherlich nichts für die Untaten ihres Vaters, aber diese Dame reist heute durch die Republik und hält reden bei rechtsradikalen schlageneden Verbindungen.

  • H
    Hans

    Als Kind von einer noch in Ostpreußen geborenen Mutter gelte auch ich offiziell als Vertriebener. Dann möchte ich es mir auch nicht nehmen lassen, eindeutig Position zu beziehen:

     

    Steinbach, Sie sprechen und hetzen nicht in meinem Namen und auch nicht in dem vieler anderer, die Sie sich zu vertreten anmaßen. Es ist eines modernen, aufgeklärten und friedlichen Deutschlands unwürdig, was Sie anrichten. Weg mit ihnen! Endlich weg mit ihnen!

     

    Ich will Frieden und Freundschaft mit allen deutschen Nachbarländern!

  • A
    alcibiades

    Wen vertritt diese unmögliche Frau eigentlich?

    Unter den Kindern und Enkeln der vertriebenen gibt es doch wohl nicht nur Reaktionäre - das müsst ich nämlich wissen, sonst wär ich ja selbst einer!