Rat an Bundesregierung: OECD fordert Steuererhöhungen
Die OECD empfiehlt der Bundesregierung das Gegenteil von dem, was diese plant: Steuern rauf! Wenn das Sparen nicht reiche, müsse der Konsum verteuert werden.
BERLIN taz Die schwarz-gelbe Koalition plant, die Steuern zu senken, vor allem auf Drängen der FDP. Der Wirtschaftsbericht "Deutschland 2010", den die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) am Freitag vorgelegt hat, kommt da ungelegen. Denn die OECD empfiehlt der Bundesregierung: Steuern rauf!
Die OECD, in der sich 30 Industrieländer wie Deutschland, Großbritannien oder Japan über ihre Wirtschaftspolitik austauschen, liefert alle eineinhalb bis zwei Jahre für jeden Mitgliedstaat eine Analyse der wirtschaftlichen Lage. In der aktuellen Studie widmen sich die Forscher ausführlich dem deutschen Haushaltsdefizit.
Demnach wird sich die Finanzlage weiter verschlechtern, nicht zuletzt, weil die schon beschlossenen Steuersenkungen der Regierung das Defizit erhöhten - Prognosen zufolge auf 5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. So sei "die jüngste Senkung des Mehrwertsteuersatzes für das Hotelgewerbe unangebracht und sollte einer Neubeurteilung unterzogen werden", erklären die OECD-Experten.
Sie empfehlen der Bundesregierung zuerst Ausgabenkürzungen, darüber hinaus aber auch Subventionsabbau und Steuererhöhungen. "Das ist ein Schlag ins Gesicht für die FDP", meint der Bremer Wirtschaftswissenschaftler Rudolf Hickel. Denn peu à peu setze sich die Erkenntnis durch, dass die Steuern steigen müssten, um staatliche Aufgaben finanziell abzusichern. Erst vor einer Woche hatte Bundespräsident Horst Köhler in einem Interview davon geredet, dass Sprit teurer werden müsse. Er brachte damit eine höhere Ökosteuer ins Spiel.
Sein Vorstoß kam bei Autofreunden allerdings nicht gut an, es sei eine "Schock-Forderung", fand die Bild-Zeitung, die prompt eine "regelrechte Wut-Welle" ausmachte.
Doch auch die OECD-Forscher raten jetzt: Die Regierung unter Kanzlerin Angela Merkel solle höhere Umweltsteuern in Betracht ziehen. Vor allem empfehlen sie allerdings bei den indirekten Steuern etwas draufzuschlagen, also bei Immobilienerwerb und Konsum. Das sei für das langfristige Wachstum am wenigsten schädlich. Das wiederum findet Ökonom Hickel "falsch". Wer die Konsumsteuern erhöhe, belaste diejenigen überproportional, die beim täglichen Einkauf schon jetzt auf jeden Cent achten müssten. Sozialer sei es, neben einer Steuer auf Finanztransaktionen eine starke Vermögensteuer zu erheben.
Das ist mit der FDP jedoch kaum zu machen. Die Liberalen wehren sich vehement gegen die Belastung sogenannter Leistungsträger. Eine Forderung der OECD-Experten zur Krisenbewältigung entspricht dem Kurs der Liberalen da mehr: weniger Kündigungsschutz und mehr befristete Verträge. FDP-Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle erklärte, die Regierung werde die OECD-Ratschläge sorgfältig prüfen. HANNA GERSMANN
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