Rassistische Polizeigewalt: „Hauptsache bei der taz heulen, wie schlimm das alles war“
Der Prozess von Zefanias M. gegen das Land Berlin zieht sich. Er verklagt Berlin, weil ein Polizist neun Minuten auf seinem Nacken kniete.
Doch als die Polizist:innen anrücken, führen sie etwas durch, was im Beamtenjargon „Kniefixierung“ heißt. Im Fall Zefanias M. bedeutete das, dass ein Polizeibeamter mit seinem gesamten Körpergewicht auf dessen Nacken kniete – neun Minuten lang. M. wurde ohnmächtig und musste sich übergeben.
Am Donnerstag fand der zweite Prozesstag zur Klage von Zefanias M. statt, in der dieser dem Land Berlin Fehlverhalten in Form seiner Beamt:innen vorwirft – und 10.000 Euro Schmerzensgeld fordert. Der Prozess wird seit Beginn von Aktivist:innen der Kampagne „Polizei im Nacken“ begleitet, die sich dafür einsetzt, dass die Praxis der Kniefixierung verboten wird.
Polizist:innen mit Erinnerungslücken
Ursprünglich sollten vier Zeug:innen aussagen, alle Polizist:innen. Doch für zwei von ihnen läge keine Aussagegenehmigung vor, hieß es vom Gericht. Beamt:innen brauchen in der Regel eine Genehmigung, wenn sie vor Gericht zu Dingen aussagen wollen, die der sogenannten Amtsverschwiegenheit unterliegen. Die beiden Zeug:innen, die doch befragt wurden, wiesen Gedächtnislücken auf. Einer erinnerte sich allerdings daran, dass sich Zefanias M. zweimal übergeben musste und er fixiert wurde.
Als Videoaufnahmen der Situation gesichtet werden sollen, beschwert sich der Staatsanwalt, Zefanias M. wolle doch nur einen „Schauprozess“ für die Presse abhalten. Doch die Richterin hält dagegen. Was auf den Aufnahmen dann zu sehen ist, legt nahe, dass die Aussagen der befragten Polizist:innen zumindest teilweise nicht stimmen können. Mehrere Schläge, Tritte und Gesten, die Zefanias M. den Polizist:innen zufolge getätigt haben soll, sind dort nicht zu erkennen.
Die Aufnahmen sind ohne Ton. Der Staatsanwalt meint dennoch zu wissen, dass Zefanias M. die Polizist:innen massiv beleidigt habe. Zefanias M. widerspricht. Doch selbst wenn dem so gewesen wäre, sei das Vorgehen der Polizei doch nicht gerechtfertigt gewesen, sagt er.
Parallelen zum Fall George Floyd
Zu einem Urteil kommt es am Donnerstag nicht. Der Prozess wird vertagt und am 27. März fortgesetzt. Bereits am ersten Prozesstag am 5. Dezember hatten sich zwei befragte Polizist:innen überwiegend im rauen Ton und herablassend geäußert. Als Zefanias M. den Polizisten, der auf ihm kniete, fragte, ob er sein eigenes Verhalten für angemessen halte, hatte dieser etwa mit einem mürrischen „Ja“ geantwortet – und gemeckert: „Hauptsache bei der taz heulen, wie schlimm das alles war!“.
Der Fall Zefanias M. weist Parallelen zu der Ermordung George Floyds im Mai 2020 in den USA auf. Auf George Floyd kniete die Polizei nur 15 Sekunden länger als auf Zefanias M. Während der Fall George Floyds aber international Aufmerksamkeit erregte, erzeugte die Behandlung von M. in Deutschland nur wenig Aufregung.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Probleme der „Tagesschau“
Flaggschiff in Schieflage
Trumps Forderungen und die Bundeswehr
Aus lauter Angst
Morde von Aschaffenburg
Dem Horror entkommen
Sportunterricht für den Ernstfall
Kinder zum Krieg erziehen
Weidel, Wagenknecht und Hitler
Links-grüne Nazi-Kommunisten
Kongress zu Wohnungslosigkeit
Die Zeit läuft ab