Rassistische Polizeigewalt in den USA: Täschchen statt Reform
In Minnesota kommt es bei Kontrollen immer wieder zu tödlichen Polizeischüssen. Ein neuer Vorschlag aus dem Innenministerium sorgt für Kritik.
Immer wieder sterben bei Verkehrskontrollen in den USA Menschen durch Polizeischüsse. Überproportional viele Schwarze und Persons of Color kommen dabei infolge rassistischer Polizeistrukturen ums Leben. Um solche Vorfälle zu reduzieren, setzt das Innenministerium des Staates Minnesota jetzt auf Plastikbeutel – und erntet dafür viel Kritik.
Eine Pressemitteilung des Ministeriums empfiehlt Autofahrer*innen, ihren Führerschein, den Fahrzeugschein und ihre Versicherungskarte in eine durchsichtige Plastiktasche zu stecken und diese gut sichtbar am Armaturenbrett zu befestigen. So sollen bei Verkehrskontrollen verdächtige Griffe ins Handschuhfach oder in Taschen – und damit tödliche Schüsse – vermieden werden.
„Die Polizist*innen der Minnesota State Patrol und anderer Einrichtungen werden die Taschen bei lokalen Veranstaltungen und anderen Gelegenheiten verteilen“, schrieb das Innenministerium auf Twitter zu einem Foto, das eine transparente Plastiktasche mit staatlichem Logo und den drei Dokumenten zeigt, die hineingehörten.
Empfohlener externer Inhalt
Nach anfänglicher Kritik an den Täschchen sagte ein Sprecher des Ministeriums dem Magazin Newsweek, dass die Idee zu den gut sichtbaren Beuteln von Valerie Castile stamme, deren Sohn Philando Castile im Juli 2016 bei einer Verkehrskontrolle durch die Polizei Minnesota erschossen worden war.
Harsche Kritik
Ein Beamter hatte den 32-Jährigen angehalten und nach seinen Papieren gefragt. Als Castile nach seinem Geldbeutel griff, erschoss ihn der Polizist – vor den Augen seiner Partnerin und der 4-jährigen Tochter. Seitdem verloren auch weitere ihr Leben bei Verkehrskontrollen durch die Polizei Minnesota, darunter der Afroamerikaner Daunte Wright im April 2021.
„Wir hoffen, dass diese Taschen solche Vorfälle reduzieren helfen, und wenn es nur einer weniger ist“, so der Ministeriumssprecher. In den sozialen Medien aber gab es harsche Kritik an dem Vorschlag.
„Liebes Minnesota, damit könnt ihr nicht so gut angeben, wie ihr denkt. Cops sollten nicht eine Dokumententasche sehen müssen, um nicht zu schießen“, kommentierte die größte Schwarze Bürgerrechtsorganisation der Vereinigten Staaten, die NAACP.
Die Aktivistin Brittany Packnett Cunningham twitterte in Reaktion auf den Vorschlag aus dem Innenministerium: „Amerika: Wo die Polizei dir ein Täschchen gibt, anstatt dich nicht zu töten.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann