piwik no script img

Rassismusverdacht in der Bezirksliga„Ich esse und schlafe nicht mehr“

Was geschah in Bottrop? Wurde der schwarze Torhüter Onukogu rassistisch beleidigt und reagierte aggressiv? Nein, sagt ein Sportgericht am Niederrhein.

Schwarz-Weiß-Fußball: Bezirksliga-Torwart Ikenna Okunogu gibt an, dass Zuschauer in als „Nigger“ beschimpften Bild: chrio/photocase.com

Dieses Spiel, Bezirksliga in Bottrop, hat viele Fragen aufgeworfen. Sie wurden bundesweit diskutiert. Und die Antworten der Beteiligten am vergangenen Donnerstag vorm Sportgericht hätten gegensätzlicher nicht ausfallen können. „Sicherlich ist da etwas passiert. Aber ob es rassistische Beschimpfungen gegeben hat, werden wir wohl nie herausbekommen“, sagt Peter Hambüchen, der Pressesprecher des Fußballverbands Niederrhein (FVN).

In diesem Sinne hielt sich die sogenannte Bezirksspruchkammer des FVN an das Offenkundige – an den Trinkflaschenwurf von Ikenna Onukogu in Richtung der Zuschauer des gastgebenden Vereins Dostlukspor Bottrop. Das sei eine Reaktion auf die „Nigger“-Rufe und andere Herabwürdigungen gewesen, wie der Nigerianer erklärte. All das habe ihn rasend gemacht. Er sei auch nur ein Mensch.

Der Schiedsrichter brach damals nach dem Wurf das Spiel ab. Der Torhüter von Hertha Hamborn bekam für seine Unbeherrschtheit eine Sperre bis zum 16. Mai aufgebrummt. Dostlukspor wurde hingegen am Grünen Tisch der Sieg zuerkannt, und aus Mangel an Beweisen sprach man den Klub vom Verdacht des Rassismus frei.

Onukogu fällt es immer noch schwer, sich zu beruhigen. „Ich esse und schlafe nicht mehr seit diesem Urteil“, sagte der 27-Jährige am Montag der taz. „Warum werde ich doppelt bestraft und die anderen überhaupt nicht? Ich habe die Beschimpfungen doch gehört. Wollen jetzt alle sagen, dass ich krank im Kopf bin? Soll ich mich jetzt umbringen?“

Nichts Anstößiges

Vor Gericht haben die Schiedsrichter und der Pressefotograf Winfried Labus bezeugt, von rassistischen Schmähungen nichts gehört zu haben. Er habe extra genau hingehört, weil sich Onukogu im Tor so aufgeregt habe. Anstößiges habe er nicht wahrgenommen. Christian Birken, der Präsident von Hertha Hamborn erzählt, sein Trainer Rauf Alkurt habe gesehen, dass Labus während seiner Wartezeit vorm Sportgericht mit Vereinsangehörigen von Dostlukspor Bottrop spaßte und sich von ihnen bewirten ließ. „Man kennt und unterhält sich“, sagt Labus, „aber ich habe von denen nichts bekommen. Dieser Vorwurf ist eine Unverschämtheit.“

Der Rassismusvorwurf treibt wiederum Dostlukspors Vorsitzenden Nuh Arslan auch Tage nach dem Prozess noch zur Raserei. „Rassismus kann ich bei uns definitiv ausschließen. Wir haben in Gambia ein soziales Projekt unterstützt – mit Schwarzafrikanern.“ Letzteres Wort zieht er betont in die Länge, als ob damit alles Nötige gesagt sei.

Arslan verbürgt sich für seinen Verein. Und wegen Rufschädigung überlegt er, gegen Onukogu zu prozessieren. Eigentlich müsse dieser auf Dauer ein Spielverbot in Deutschland erhalten. Onukogus Vorwürfe sind für Arslan schon deshalb unglaubwürdig, weil das Gericht ihm offenbar in der Darstellung der Ereignisse eine Falschaussage nachweisen konnte. Der Torhüter hatte behauptet, er habe eine Trinkflasche zurückgeworfen, die aus dem Publikum kam. Mit Hilfe der Fotos des Zeugen Labus konnte aber nachgewiesen werden, dass es seine eigene Trinkflasche war.

Merkwürdig ist allerdings auch, dass Dostlukspors Trainer Sebastian Stempel einen Tag nach dem Spiel dem Blatt Revier Sport erklärte, ihm sei zugetragen worden, dass Onukogu rassistisch beleidigt worden sei. Und weiter wird er zitiert: „Leider ist es nicht das erste Mal, dass so etwas im Umfeld dieses Vereins passiert. […] Ich persönlich werde daraus im Sommer meine Konsequenzen ziehen. Darauf habe ich keine Lust mehr.“

Druck vom Verein

Der taz sagt Stempel, er habe das so nie gesagt und werde der Zeitung nie mehr ein Interview geben. Beim Revier Sport jedoch beharrt man darauf, das Gespräch wahrheitsgetreu wiedergegeben zu haben. Stempel habe wohl Druck vom Verein bekommen, mutmaßt man in der Redaktion. Und es wird bestätigt, dass Dostlukspor in der Vergangenheit zwar nicht wegen rassistischer Beschimpfungen, aber aufgrund des aggressiven Verhaltens der Zuschauer öfters auffällig geworden sei.

Beim Bottroper Verein hat man indes schon vor dem Prozess auf der Homepage ein Bild von Ikenna Onukogu gezeichnet, das diesen als Hitzkopf erscheinen lässt. Er sei „kein Unbekannter“ und schon einmal zehn Monate wegen eines Ausrasters gesperrt worden, heißt es da. Doch diese Behauptung ist falsch. Onukogu ist nur zweimal für einen Monat gesperrt worden. Nuh Arslan von Dostlukspor hatte zuvor erklärt, er habe die Information vom Hörensagen. Ikenna Onukogu wiederum ist außer sich, dass „diese Lüge ständig weiterverbreitet“ werde.

Dass Stempel vom Sportgericht nach seiner ersten außergewöhnlichen Parteinahme für den Gegner nicht als Zeuge geladen wurde, ist eine weitere Ungereimtheit dieser Geschichte. Hambüchen erklärt: „Das Verbandsgericht ist auf das Material und die Zeugen angewiesen, welche die vor Gericht geladenen Parteien vorbringen.“

Ihn habe es aber selbst gewundert, dass Hertha Hamborn Stempel nicht in den Zeugenstand gerufen habe. Der Fehler eines Amateurvereins, könnte man lakonisch erwidern. Amateurhaft ist es aber auch, dass der Verband angesichts eines solch schweren Vorwurfs nicht als ermittelnde Instanz tätig werden kann.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

12 Kommentare

 / 
  • T
    tumaini

    @ horst

     

    du als deutscher wurdest, es sei denn du bist Schwarz oder PoC, sicherlich so gut wie noch nie rassistisch beleidigt. oder du hast das konstrukt rassismus einfach nicht verstanden.

     

    ->http://www.deutschland-schwarzweiss.de/

     

    rassistische, sexistische, homophobe (you name it!) beleidigungen sind in der gesellschaft und gerade im sport leider alltäglich und sollten ernst genommen werden!!!

    dabei macht es keine unterschied, welcher herkunft, hautfarbe, sexuellen orientierung (etc.) die Täter_innen selbst sind.

    Bei allen -ismen muss es eine null toleranz grenze geben, ob im sport oder anderswo!!!

     

    flaschen zu werfen ist aus meiner sicht in dieser situation nicht verwerflich, sondern eine natürliche reaktion auf vermutlich jahrelange diskrimierung auf grund eines bestimmen merkmales. ich würde auch flaschen werfen, wenn mich eine ganze fankurve als "homo" bezeichnet. vielleicht auch, wenn es nur ein mensch ist, und das dann der millionste in meinem leben.

     

    rassistische beleidigungen sind eben KEINE beleidigungen wie "arschloch".

     

    deswegen: null toleranz! auch nicht auf der taz-kommentarseite.

  • S
    showlove

    Wie wäre es mal mit "Weißafrikanern" anstatt Rassismus?!

  • A
    Arne

    Hm, habe ich das Recht mit Gegenständen nach jemanden zu werfen, wenn ich mich rassistisch beleidigt fühle?

    Ich würde persönlich den Schiri ansprechen oder (es stehen außer mir ja noch 10 Personen von meiner Mannschaft auf den Platz) jemanden bitten, da mal genauer zuzuhören, aber nicht mit Selbstjustiz reagieren.

    Naja, Herr Onugoku hat trotz der Gewalttätigkeit nur eine von der Länge her vertretbare Sperre bekommen und keine Anzeige wegen versuchter örperverletzung.

     

    Allerdings scheint die Integration von Vereinen mit Namen, die auf einen migrantischen Hintergrund deuten ebenso wie das Verhalten von Torhütern, deren Name auch auf einen migrantischen Hintergrund schließen lassen könnte, in Deutschland hervorragend zu klappen.

    Beschimpfungen, ggf. auch rassistischer Art und Gewalttätigkeiten gehören zum deutschen Kulturgut seit eh und je. (War nur mal kurz teilweise in Vergessenheit geraten bis 1989, zumindest im westlichen Teil.) Weiter so!

  • K
    keetenheuve

    @ lovlovehatehate:

    Dir ist aber hoffentlich bekannt, dass die angeblich rassistischen Beleidigungen ausschließlich von stolzen Türken auf den Zuschauerrängen des türkischen Vereins in Bottrop kamen?

    ...das argument mit dem projekt mit "schwarzafrikanern" ist eine bekannte rassistische herausredensart. good night white pride!!!!!! solidarität mit onukogu!!!!!

    Irgendwie habe ich den Verdacht, dass du es nicht ganz gelesen hast, denn du würdest ja nicht stolzen Türken einfach so Rassismus unterstellen wollen, oder?

  • HB
    hallo ballo

    lesen taz-Leser eigentlich keine einzigen anderen medien? der grund für die bestrafung des torwarts, bzw. das nicht-bestrafen des rassisitsichen Vereins ist doch längst bekannt. es handelt sich um einen türkischen verein, und da ist "Gesicht-zeigen" politisch unrentabel, bzw. fordert nämlich echten Mut.

     

    Völlig selbst-verplappernd ist das dämliche Gerede über "weiße" deutsche, die natürlich "nie rassistisch" angeriffen werden und natürlich automatisch "dumm" sind.

     

    Tut mir leid, wer gewalttätige Rassisten bekämpfen will, hat über all auf der welt viel zu tun und kann gleich hier in Deutschland gleich anfangen. Aber nicht "klippo!" rufen, wenn die dann aufeinmal gar nicht meier oder müller heißen...

  • E
    eksom

    "Ich fürchte mich nicht vor der Rückkehr des Faschisten in der Maske des Faschisten, sondern vor dessen Rückkehr in der Maske des Demokraten."

  • IK
    Irma Kreiten

    „Warum werde ich doppelt bestraft und die anderen überhaupt nicht?"

    So ist es doch mittlerweile in fast allen Bereichen der deutschen Gesellschaft. Die Rechten laesst man gewaehren, egal wie sehr sie gegen Gesetze und Moral verstossen, ebenso diejenigen Trittbrettfahrer, die mit Blick auf Geld und Status mitmachen. Die, die auf gewissenhaftem Verhalten, ihrer Wuerde und demokratischen Prinzipien beharren, werden fertig gemacht und gesellschaftlich abserviert. Im Zeifelsfall eben dadurch, dass man so lange reizt, stichelt und demuetigt, bis man die gewuenschte Reaktion erhaelt, mit der man dann wiederum seine Vor-Urteile und seine eigene ach so souveraene Position bestaetigt sieht.

  • L
    lovlovehatehate

    wie sollen auch dumme weiße deutsche(mich selbst eingeschlossen), die noch nie in ihrem leben von rassismus betroffen waren, beurteilen, ob sie rassistische beschimpfungen wahrgenommen haben. so eine scheiße. und das argument mit dem projekt mit "schwarzafrikanern" ist eine bekannte rassistische herausredensart. good night white pride!!!!!! solidarität mit onukogu!!!!!

  • H
    Horst

    Ich als Deutscher wurde auch schon 100 mal rassistisch beleidigt. Im In- und Ausland.

    Und ich mache deswegen nicht gleich ein Faß auf.

    Ist nicht schön, ist aber auch kein Drama.

  • C
    chris

    Tja und nun? Aussagen, dass es aggressives Verhalten ohne rassistische Provokation war, sind also nicht glaubhaft, wenn ich den Artikel richtig verstehe?

     

    Was wenn der Flaschenwerfer ein aggressiver Mensch ist? Oder ist das ausgeschlossen, weil er dunkle Haut hat und das Wort "Rassismus" im Spiel ist?

     

    Man könnte einen Generalverdacht wie im Artikel angedeutet nutzen und aburteilen, auch wenn es anderslautende Aussagen gibt.

     

    Der Rassismusvorwurf wird implizit ohnehin im ganzen Artikel mitgeschleppt, z.B. wenn die im Satz in die Länge gezogenen "Schwarzafrikaner" erwähnt werden und Geschichten vom Hörensagen angeführt werden, die nicht einmal der Weitertragende erlebte.

     

    Mich macht diese Sicht auf Menschen, die immer wieder unterstellt, dass alle nicht den PC-Normen entsprechen, weil sie es nicht können dürfen, weil sie anders sind als der Linksmainstream, sehr unglücklich, wenn ich auf dieses Land blicke.

     

    Da wird bei aller Bemühtheit um Korrektheiten eine Spaltung voran getrieben, die kaum den Menschen dient.

     

    Aber was tut man nicht alles für eine angeblich gute Sache....

  • T
    tja

    Falsche Täter-Opfer-Konstellation, wie immer eben.

     

    Der Rest ist mit den üblichen Konditionierungen schnell geklärt.

  • T
    Timson

    "Wir haben in Gambia ein soziales Projekt unterstützt – mit Schwarzafrikanern."

     

    Und deswegen ist es auch vollkommen unmöglich rassistisch zu sein, quasi ein Persilschein! Was der Herr dabei vergisst ist, dass allein schon seine Ausdrucksweise rassistisch ist. "Schwarzafrikaner" gibts nunmal nur im kolonialromantischen einiger Mitbrürger. Egal, er unterstützt ja ein Projekt in Gambis, Na dann ist ja alles gut. Es gibt schlißelich auch keine Frauenhasser die verheiratet sind und keine brandstiftenden Feuerwehrmänner.

     

    Ich habe keine Ahnung, was an dem Spieltag wirklich passiert ist, aber die Reaktion aller Beteiligten zeigt, dass sie sich dringend mal mit dem Thema auseinandersetzen sollten.