Rassismus in den USA: Die Flagge soll weg, es lebe die Flagge
Nach dem Attentat in Charleston wird die Flagge der Konföderierten verbannt. Vieles andere, das an die Sklaverei-Anhänger erinnert, aber nicht.
Es ist heiß in San Antonio, im Südenwesten Texas, an die 40 Grad, aber die Kleidung ist wichtig für Doc. Rotes Hemd, darüber eine beige Weste, lange Hose, Hut mit beiter Krempe, schwarzes Halstuch, Ledergürtel. Die Pistole im Halfter zieht den Gürtel an Docs linker Hüfte schwer nach unten. Natürlich heißt Doc nicht wirklich Doc, aber mit seinem Namen ist er Fremden gegenüber vorsichtig. Diese Vorsicht gilt nicht für seine Ansichten. Die teilt Doc gern mit jedem, der bereit ist, ihm zuzuhören.
Kleidung und Waffen sind keine Accessoires für Doc, sie sind eine politische Einstellung. Gemeinsam mit anderen tritt er in San Antonio für das Recht ein, überall eine Waffe tragen zu dürfen. Offen, verdeckt, Pistole, Sturmgewehr. Warum er das richtig findet? Weil es so in der Verfassung der Vereinigten Staaten von Amerika steht. Und die, so ist Doc überzeugt, muss auch im 21. Jahrhundert genau so verstanden und gelebt werden, wie sie 1787 von den Gründervätern der Nation aufgeschrieben wurde. Jeder hat das Recht auf eine Waffe – jeder freie Mann versteht sich. Sklaven schloss das Recht in der Ur-Fassung aus. Vielmehr sollten die Waffen die Weißen auch vor den Ureinwohnern und den Sklaven schützen.
Heute muss Doc sich nicht mehr vor Sklaven „schützen“ aber vor vermeintlich vielen und vielem, die anders sind. Mit dem Festhalten an „alten Werten“, der Geschichte der Südstaaten und dem Wiederbeleben dieser Traditionen ist Doc nicht allein. Seit dem Attentat auf die Kirche einer schwarzen Gemeinde in Charleston, South Carolina, bei dem ein 21-Jähriger aus offensichtlich rassistischen Motiven neun Menschen tötete, wird hitzig über die Symbole der Konföderierten diskutiert, die in den Südstaaten immer noch zum Alltag gehören.
In South Carolina verkündete Gouverneurin Nikki Haley, es sei Zeit, die Flagge einzuholen, nachdem sich der mutmaßliche Täter auf sie bezog. Nun kann man sich zwar sehr leicht eine Waffe in den USA beschaffen, um damit um sich zu schießen, aber mal eben eine Flagge einholen, das geht nicht. Im Kongress von South Carolina ist dafür eine Zwei-Drittel-Mehrheit nötig und darüber, ob über diese Entscheidung überhaupt debattiert werden kann, muss auch erst abgestimmt werden. Das haben die Abgeordneten mit 103:10 Stimmen getan.
Als am Mittwoch einem der Toten, Pastor Clementa Pinckney, der auch Abgeordneter war, gedacht wurde, hing die Flagge immer noch vorm Kapitol. Und selbst wenn sie sehr wahrscheinlich bald nicht mehr wehen wird, sie ist nur eines von vielen Symbolen, mit denen in den Südstaaten immer noch der Zeit gedacht wird, als sich 1860/1861 elf Staaten zusammenschlossen, um dafür zu kämpfen, die Sklaverei in den USA aufrecht zu erhalten.
Feiertag fürs Gedenken an die Konföderierten
Viele von ihnen, etwa Georgia, Florida, Texas North und South Carolina, feiern den „Confederate Memoria Day“. An ihm wird den Soldaten der Konföderierten gedacht, der Geschichte der Abspaltung vom Norden und aller Orten werden berühmte Schlachten nachgespielt, im Kostüm mit Originalwaffen von sogenannten „Reenactment groups“. Ganz nach Docs Geschmack. In vielen Staaten ist der Tag ein Feiertag.
Wenn die USA jedes Jahr am 19. Januar den „Martin Luther King“-Tag begehen, feiern die Bürger in Arkansas, Mississippi und Alabama noch den „General Robert E. Lee“-Tag. Warum sollte man auch nicht einem General, der für die Sklaverei gekämpft hat, am gleichen Tag gedenken, der an den berühmtesten Bürgerrechtler der USA erinnert. Erst im Januar diesen Jahres gab es in Arkansas die Initiative, die Tage voneinander zu trennen. Doch der Gesetzesentwurf scheiterte.
Mit der Aufzählung der Büsten, Denkmäler, Tafeln und Schlachtfelder, die überall im Süden des Landes an die Großtaten der Soldaten erinnern, braucht niemand anfangen, es sind Hunderte. Natürlich, weil es Teil der Geschichte des Landes ist. Die Frage, wie man damit umgehen sollte, ist eine andere. Da sind die Diskussionen, die jetzt geführt werden, fast schon bedeutungslos.
In Tennessee steht – wie selbstverständlich – eine Büste in Erinnerung an Nathan Bedford Forrest. Ein war General im amerikanischen Bürgerkrieg und später einer der Gründer des rassistischen Ku Klux Klan. Neun Menschen mussten offenbar sterben, bevor erstmals öffentlich darüber diskutiert wurde, ob die Büste dort richtig steht.
Die Blutlinie zählt
Eine große Statue von ihm steht außerdem in der Nähe von Nashville an einer Autobahn. Ob sie verdeckt werden soll, darüber sind sich die Leser der Zeitung The Tennessean nicht einig. 52 Prozent sagen „ja“, 45 Prozent „nein“. Der Besitzer des Landes, auf dem die protzige Statue steht, findet, das Denkmal ziehe viele Besucher an, was gut für die Tourismusindustrie sei, wie er der Zeitung sagt. Und dort würden ja auch viele Schwarze arbeiten. Alles in Ordnung also.
So würden es wohl auch die Mitglieder der “United Daughters of the Confederacy“ und “Sons of the Confederate Veterans“ sehen. Sie gehören zu den ältesten Organisationen, die das Gedenken an die Konföderierten aufrechterhalten wollen und sich der „wahren Geschichte“ der Zeit verpflichtet fühlen. Mitgliedschaft natürlich nur nach Nachweis zur Blutlinie eines Soldaten des Bürgerkrieges.
Da macht es nicht so viel, dass die Flagge bald im öffentlichen Raum weniger zu sehen sein wird und große Ketten wie Walmart ihren Verkauf einstellen. Der Online-Shop hilft weiter. Da gibt es vom Autokennzeichen über den Sticker bis zur Weihnachtskarte alles im Konföderationslook. Schönstes Motiv ist wohl der Weihnachtsmann, der sich seinen roten Mantel aufreißt. Darunter: das weiße T-Shirt mit der Konföderiertenflagge. Zwölf Stück für nur zwölf Dollar.
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