Ich wage es kaum zu sagen, aber: Ich lebe in Rudolstadt. Ich lebe seit 1994 gut hier; das geht, auch wenn man ein Leben lang in Großstädten zugebracht (und sich auch dort wohlgefühlt) hat; das geht sogar mit einem langjährigen Lebensgefährten, dem man seine südamerikanischen Wurzeln durchaus ansieht.
Ich möchte in die Diskussion gern ein wenig Klarheit bringen.
1. Ausländerfeindlichkeit ist absolut nicht zu tolerieren. Wer Tendenzen dazu bemerkt, sollte im Interesse einer lebenswerten Gesellschaft eine öffentliche Diskussion anregen und Verbündete suchen.
2. Kinder in der Schule äußern das, was sie zu Hause gehört haben. Darüber muß in der Schule gesprochen werden, und wer die Schulleiterin von Janniks Schule kennt, weiß, dass dort solche Konflikte nicht unter den Teppich gekehrt werden.
3. geht es um die Erwachsenen, die aus welchen Gründen auch immer meinen, ihre Intoleranz und Angst allem Fremden gegenüber äußern zu müssen.
Und hier sind ? unter Einbeziehung der Öffentlichkeit ? als allererstes die Betroffenen gefragt, Probleme zu thematisieren.
4. muß über die Rolle der Eltern Neuschäfer gesprochen werden.
Als Neuschäfers vor einigen Jahren hierher kamen, waren einige Aspekte unseres Selbstverständnisses als Frauen, die in der DDR ihre Ausbildung absolviert und in ihren Berufen gearbeitet hatten, u.a. folgende:
Ich als Frau bin ganztägig beschäftigt. Ich habe selbstverständlich einen Kindergarten- und Hortplatz für meine Kinder und bin finanziell nicht auf meinen Lebenspartner angewiesen, da ich mein eigenes Geld verdiene.
Ich entscheide mich frei von ökonomischen Zwängen für Kinder und das Zusammenleben in den Strukturen einer Familie.
Ich bin in den letzten Jahren in diesem Selbstverständnis gekränkt worden ? durch Arbeitsplatzverlust, durch die Zuweisung eines weniger geachteten Platzes in der Gesellschaft, durch die daraus resultierende Verminderung meines Selbstwertgefühls.
Mit Arbeitsantritt Herrn Neuschäfers wurde diese Wunde deutlich vertieft. Plötzlich gab es seine Leserbriefe in der Elternzeitschrift ?mobile?, in unserer Tageszeitung (und in den Archiven noch nachzulesen):
Eltern, die ihre Kinder in Ganztagsschulen bringen, sind nur zu faul, sich mit ihren Kindern zu beschäftigen.
Frauen, die ganztägig arbeiten, sind ausschließlich auf ihre Selbstverwirklichung aus und vernachlässigen ihre Kinder.
Eltern, die ihre Kinder auf kostenlose Schulen schicken, zeigen den Kindern, dass sie ihnen nichts wert sind.
Natürlich wurden solche Aussagen nicht widerspruchslos hingenommen ? und hier kommen jetzt die Kränkungen der Familie Neuschäfer ins Spiel.
Die Eltern entwickeln eine paranoide Neigung, jede Kritik auf die Hautfarbe der Kinder und der Mutter zu beziehen: Ein Entwicklungsgespräch im Kindergarten über den ältesten Sohn ? es gibt Konflikte ? das liegt an der Ausländerfeindlichkeit des Kindergartens.
Die Kinder halten sich nicht an die Regeln des Kindergartens (und werden dabei von ihrer Mutter unterstützt) ? dito.
Im Kinderhaus am Nachmittag gibt es Probleme (weshalb sind die Kinder eigentlich nachmittags nicht im Schoße der Familie?) ? fremdenfeindlich.
Kindergarten und Kirche bieten Gespräche an, die von Neuschäfers nie wahrgenommen werden.
Der Christliche Kindergarten fühlt sich daraufhin außerstande, die Kinder des Religionsbeauftragten weiter zu betreuen.
Nach einiger Zeit gehen einige Leute Herrn Neuschäfer aus dem Weg. Das muß an der Hautfarbe seiner Kinder liegen.
Kennengelernt habe ich Neuschäfers übrigens auf einer der Geburtstagsfeiern, auf die sie nie eingeladen waren.
Die absolut isolierte Miriam ging nahezu täglich mit anderen Müttern und Kindern an meinem Bürofenster vorbei.
Fremde Menschen haben auf ausländerfeindlichste Weise Deine Frau geduzt? ? Dir, Rainer hatte ich kaum die Hand gegeben, da warst Du schon per ?Du? mit mir und hast mir äußerst private Fragen über das Zusammenleben mit meinem Mann gestellt. Diese Distanzlosigkeit war es, die mich Abstand nehmen lassen hat von Euch. Und bevor Du auch das wieder in die fremdenfeindliche Ecke schiebst: In unserer Familie gibt es Franzosen, Holländer, Nigerianer; ein Onkel indischer Abstammung aus Surinam ist schon gestorben, und ich werde niemandem den Gefallen tun und mir diesen Stiefel anziehen!
Noch ein letztes Wort zu der unrühmlichen Rolle der überregionalen Medien in dieser Angelegenheit:
Erst, nachdem sich die Leiterin des Christlichen Kindergartens, die Schulleiterin, die Nachbarn, Bekannten und ehemaligen Freunde zu Wort gemeldet hatte, wurde überhaupt begonnen zu recherchieren. Kritische Stimmen wurden als kleinstädtisch verbohrt, unglaubwürdig und latent fremdenfeindlich dargestellt.
Berichterstattung hat etwas mit Verantwortung zu tun.
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