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Rassismus hat einen Namen - Sony

■ Europas Sony-Chef und belgischer Oberst machen Front gegen neuen Kölner Standplatz für Sinti und Roma / Sony droht mit Umsiedlung der Zentrale nach Holland / Anti-Rassisten fordern Entschuldigung

„Rassismus hat einen Namen - Sony“

Europas Sony-Chef und belgischer Oberst machen Front gegen neuen Kölner Standplatz für Sinti und Roma / Sony droht mit Umsiedlung der Zentrale nach Holland / Anti-Rassisten

fordern Entschuldigung

Von Oliver Tolmein

Bonn (taz) - Scharfe rassistische Töne haben der Chef von Sony Europa, Jack Schmuckli, und der Leiter des Verbindungsstabes der belgischen Armee in der BRD, Oberst Duck, gegen Sinti und Roma angeschlagen. Um die Errichtung eines von der Stadt geplanten neuen Standplatzes in Köln -Junkersdorf zu verhindern, haben Schmuckli und Duck, wie jetzt bekannt geworden ist, am 9. bzw. am 18.Mai Briefe an den Kölner Oberbürgermeister Burger (SPD) gerichtet. Schmuckli fordert in dem „Betrifft: Zigeunerproblem“ überschriebenen Text „pragmatisches Durchgreifen“, um den „Affront“ zu verhindern, den der Standplatz für „alle beteiligten eingesessenen Anwohner und Gewerbe“ bedeuten würde. Als Grund für sein Engagement gegen den Standplatz, der sich in der Nähe „meines persönlichen Wohnsitzes“ befindet, nennt Schmuckli die Situation in der Nähe der Sony -Niederlassung in Köln-Ossendorf: „Seit einigen Jahren haben wir auch das Vergnügen, ein Zigeunerlager in unmittelbarer Nähe dulden zu müssen. Was dies bedeutet, wissen wir nun aus eigener Erfahrung: Was früher offene Wiese war, ist heute schlimmer als eine Müllhalde. Ein solcher Zustand ist weder für ein Unternehmen, aber noch weniger für eine Wohngegend zumutbar.“

Der belgische Oberst Duck führte gegen den Standplatz, der sich in der Nähe des Hauptquartiers des 1. belgischen Korps befinden würde, an, „daß sich in der Kaserne Hunderte von Fahrzeugen mit Sprengstoff an Bord befinden. Darüber hinaus muß die angrenzende belgische Wohnsiedlung berücksichtigt werden sowie die Tatsache, daß viele Familien oft alleine sind, da die Ehemänner an Manövern teilnehmen müssen.“ Duck kommt zu dem Schlußt, „daß die Einrichtung eines Standplatzes für Zigeuner und andere Landfahrer eine zusätzliche Gefährdung der militärischen und zivilen Anlagen verursacht“ - und deswegen „aus Sicherheitsgründen“ unterbleiben solle. Während der Brief des belgischen Obersten noch unbeantwortet auf dem Schreibtisch von Oberbürgermeister Burger liegt, hat der Sony-Chef, der in seinem Schreiben auch auf seinen „nicht unerheblichen Beitrag, Toyota nach Köln zu holen“, verweist, bereits Rückmeldung erhalten: SPD-Mitglied Burger stellt darin fest, er sei für die Standplätze nicht zuständig, der Rat der Stadt müsse diesbezüglich entscheiden. Ob das angesichts der versuchten Erpressung durch Schmuckli - er droht mit einer Umsiedlung der Sony-Zentrale nach Holland - und des offensichtlichen Rassismus in dem Brief nicht eine zu milde Reaktion sei, mochte ein Mitarbeiter im Büro des OBs dieser war persönlich nicht zu erreichen - nicht entscheiden: „Ob das Rassismus ist - also ich weiß nicht...“

Die Kölner Roma-Initiativen wußten sehr wohl. „Der neue Rassismus hat einen Namen - Sony“, texteten sie auf Flugblättern und Plakaten. Nach Bekanntwerden des Schreibens des belgischen Obersten Duck besetzten sie am Dienstag auch das der Botschaft unterstellte belgische Kulturhaus in Köln. In einem Offenen Brief an die belgische Regierung forderten sie außerdem eine „Distanzierung bis zum Freitag 12.6.88“ sowie eine eine Entschuldigung bei den Roma. Während die belgische Botschaft aber der taz noch am Mittwoch mitteilte, die Klärung der Angelegenheit werde „wohl noch eine Weile“ dauern, reagierte Sony-Chef Schmuckli rasch auf den öffentlich gewordenen Protest: „Der Brief, den ich an den Oberbürgermeister schrieb, sollte auch auf Probleme der Landfahrer aufmerksam machen, die am Butzweiler Hof unter menschenunwürdigen Umständen leben“, ließ er über seinen Pressesprecher mitteilen. Daß diese Sorge aus der Formulierung: „Seit einigen Jahren haben wir auch das Vergnügen, ein Zigeunerlager in umittelbarer Nähe dulden zu müssen“, nicht herausgelesen werden kann, mußte aber auch Sony-Pressesprecher Hoenisch zugestehen: „Das ist natürlich eine etwas sehr euphemistische Interpretation.“ Allerdings sei Schmuckli bereit, mit den Sinti und Roma zu reden. „Vielleicht kommt es dann zu einer sachlichen Lösung, dergestalt etwa, daß der Platz in Ordnung gebracht wird und die Zigeuner da etwas mehr Organisation reinbringen. Die müssen sich ja auch bemühen, sich den Gepflogenheiten der Stadt, in der sie leben und Sozialhilfe beziehen, wenigstens etwas anzupassen.“

Damit will sich das Komitee „Solidarität mit den Roma“ nicht abspeisen lassen. „Angesichts des unverschämten rassistischen Erpressungsversuchs... fordern wir die Zentrale des Sony-Konzerns auf, sich von den Äußerungen ihres Europa-Chefs zu distanzieren und sich öffentlich bei den Roma zu entschuldigen. Solange dies nicht geschehen ist, boykottieren wir die Produkte von Sony.“

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