■ Zum Lohn- und Kostengefälle innerhalb der EU: Rassismus am Bau
Wenn die Baugewerkschaft sagt, daß durch die zunehmende Beschäftigung billiger ausländischer Arbeiter unter den deutschen Bauarbeitern langsam ein Rassismus aufkomme, dann müssen wir das glauben. Zu selten sind wir auf Baustellen unterwegs, um uns ein Urteil erlauben zu können. Was wir allerdings nicht so sehr glauben, ist, daß der Rassismus nachlassen würde, wenn ausländische Arbeiter zu denselben Löhnen angestellt werden müßten wie Deutsche. Im Kern zielt der Vorschlag darauf, die Beschäftigung ausländischer Bauarbeiter in Deutschland uninteressant zu machen und die Ausländer nach Hause zu schicken. Denn welcher Unternehmer wird einen portugiesischen Dachdecker einstellen, wenn er ihm deutschen Lohn bezahlen muß?
Rassismus verschwindet nicht dadurch, daß die Ausländer verschwinden. Das haben wir spätestens aus der unseligen Asyldiskussion gelernt. Im Gegenteil: Wenn eine Regierung demonstrative Anstrengungen unternimmt, um Ausländer loszuwerden, verstärkt sie in weiten Bevölkerungsschichten das bereits vorhandene diffuse Gefühl, die Beschäftigung von Ausländern sei etwas moralisch Anrüchiges, wenn nicht gar Illegales. Je größer zudem das Lohngefälle, desto größer die Phantasie von Arbeitern wie Unternehmen, staatlich verordnete Mindestlöhne zu unterlaufen. Aber die Erfahrung lehrt, daß das zum einen selten eingehalten wird, zum anderen kaum zu kontrollieren ist. Es wird immer Menschen geben, die nach Deutschland kommen, weil sie hier mehr verdienen als zu Hause. EU-Bürger haben sogar ein Recht darauf. Sie zu kriminalisieren schafft einen idealen Nährboden für Rassismus.
Das ist die eine Seite, die andere ist die wirtschaftliche und beschäftigungspolitische. Entscheidend ist nicht das Lohn-, sondern das Kostengefälle. Wer die Kostenunterschiede zwischen deutschen und ausländischen Arbeitern verringern will, kann genausogut die Nebenkosten für deutsche Arbeitskräfte senken. Die Hälfte der Kosten für einen hiesigen Maurer liegen in den Lohnnebenkosten. Der Vorschlag, statt der Arbeit die Energie zu versteuern, ist inzwischen uralt. Gerade auf dem Bau würde die längst überfällige Steuerumschichtung dazu führen, das Kostengefälle abzuschwächen und Anreize für die Beschäftigung zusätzlicher einheimischer Arbeiter zu schaffen, die von den Lohnnebenkosten am stärksten betroffen sind.
Wenn das Bauen dadurch auch noch billiger wird, wird auch mehr gebaut. Die Baubranche war immer eine Schlüsselbranche für einen Beschäftigungsaufschwung. Alois Berger, Brüssel
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen