: Rangierbahnhof Schule
Jetzt ist es ernst. Die LehrerInnen müssen sich entscheiden: Wollen sie eine oder mehrere Unterrichtsstunden abgeben? Weniger Geld verdienen, damit ihre KollegInnen mit den befristeten Verträgen nicht auf die Straße gesetzt werden? 500 Berliner PädagogInnen von insgesamt 33.000 haben bislang 1.500 Stunden gesammelt. Ein guter Anfang. Doch warum ist die Resonanz nicht größer?
Der wichtigste Fehler liegt darin, daß die Arbeitsumverteilung schlecht organisiert ist. Wenn etwa das Kollegium einer Schule im Wedding 25 Wochenstunden sammelt, wandern diese in den großen Topf des Landesschulamtes. Die Behörde denkt sich dann vielleicht: „An der Schule im Wedding gibt's ja genug Lehrer, aber dahinten in Spandau könnten wir eine zusätzliche Stelle gut gebrauchen.“ Auf diesem Rangierbahnhof der Arbeitszeit haben die Weddinger LehrerInnen gar nichts zu melden. So verwundert es nicht, daß sie mit wenig Eifer bei der Sache sind und die 25 Stunden erst gar nicht zusammenkommen. Um die Leute dagegen beim Eigeninteresse zu packen, müßten die reduzierten Stunden der jeweiligen Schule zur Verfügung gestellt werden. Wenn die befristet angestellten KollegInnen in den Klassen nebenan weiterarbeiten könnten, wäre der Anreiz viel größer, für diese etwas zu tun.
Ein weiterer Grund für den bislang geringen Widerhall der Teilzeitoffensive: Sie wurde viel zu spät gestartet. Wenn man jedoch ArbeitnehmerInnen die Pistole auf die Brust setzt, kann man nicht erwarten, daß sie freudig Verzicht üben. Einen derartigen Einschnitt wollen die einzelnen erst mal im Kollegen- und Freundeskreis diskutieren. Hinzu kommt, daß das Wort „Teilzeit“ in den östlichen Bezirken weitgehend unbekannt ist. Wie zu DDR-Zeiten hat man dort heute entweder eine ganze Stelle oder keine. Deswegen wurden in den östlichen Bezirken bislang nur wenige Stunden gesammelt. Außerdem – wen wundert's? – haben die gutsituierten LehrerInnen in Ost und West viele finanzielle Argumente zur Hand, warum sie ihren Lebensstandard auf keinen Fall reduzieren können. So ist absehbar, daß die Teilzeitoffensive auf halbem Weg steckenbleibt. Vielleicht ist sie noch zu retten, wenn sie ins kommende Schuljahr verlängert wird. Hannes Koch
siehe auch Seite 22
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