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Ralph Giordano-betr.: "Wehrmacht und Krieg", taz vom 29.6.88

betr.: „Wehrmacht und Krieg“, taz vom 29.6.88

Ralph Giordano äußert eingangs die Befürchtung, daß eine Kaserne der Bundeswehr nach dem Nazi-General Eduard Dietl (1890-1944) benannt werden soll. Indes: Die Alpträume des Ralph Giordano wurden bereits 1964 Wirklichkeit; denn damals wurde die Gebirgsjäger-Kaserne in Füssen nach dem „Helden von Narvik“ benannt.

Bereits im Juni 1919 förderte der damalige Hauptmann Dietl einen Ex-Gefreiten namens Adolf Hitler. Am 30. November 1941 wandte sich dieser Ex-Gefreite im Führerhauptquartier an Dietl: „Alles das (gemeint war der Einzug in die Reichskanzlei) verdanke ich Ihnen, daß Sie mir damals mit Ihrer Kompanie ermöglicht haben, zu sprechen. Eigentlich sind Sie Geburtshelfer des Dritten Reiches.“ Bei Durchhaltereden in Rosenheim, München, Ingolstadt und Graz (Stadt der Volkserhebung) im November 1943 rief Generaloberst Dietl zum unerschütterlichen Glauben an den „Führer“ und an den „Endsieg“ auf. Auszüge: „Partei und Wehrmacht sind die beiden Säulen dieses Staates. Der Soldat wird ewig dankbar sein für die Leistungen der Partei in diesem Kriege. (...) Der Krieg ist der unerbittliche Läuterer der Vorsehung, ist die Kraftprobe, die uns die Vorsehung auferlegt hat. (...) Ich erkläre: Ich glaube an den Führer. Je schwieriger die Lage ist, desto mehr vertraue ich ihm.“

Am 1. Juli 1944 sprach der „Führer“ beim Staatsakt für Dietl: „Als ich zum ersten Mal diesem Manne gegenübertrat, da ermöglichte er mir in seiner Kompanie die erste Einflußnahme auf ein deutsches Regiment. Als erster Offizier der deutschen Wehrmacht hat er mir seinen Verband zur Verfügung gestellt, um politisch auf ihn einzuwirken. Eine Stunde, nachdem ich damals zur 3. Kompanie seines Regiments gesprochen hatte, gab mir dieser Mann seine Hand und erklärte, er würde von jetzt ab mein Gefolgsmann und Anhänger sein. (...) Gerade in den Jahren 1933 bis 1936, als ich mit dem Blick auf die deutsche Zukunft unendliche Wagnisse eingehen mußte, da stand dieser Nann unerschütterlich und selbstverständlich hinter mir; und das hat sich fortgesetzt bis in die letzten Tage. (...) Wenn ich von diesem Freunde heute Abschied nehme, geschieht es deshalb mit den bittersten Empfindungen eines tief getroffenen Mannes, auf der anderen Seite aber mit dem unbeugsamen Fanatismus, daß auch dieses Opfer auf dem Altar des Vaterlandes für uns alle nur eine neue Verpflichtung ist.“

Zum Schluß ein Wort des Trostes: Ausgewiesene Realsatiriker findet man in den Reihen von Standortältesten: Ende März des Jahres nannte Oberstleutnant Schäffer bei seiner Abschiedsrede in der „Generaloberst-Dietl-Kaserne“ in Füssen die Befürworter einer Umbenennung „unzufriedene, beinahe unmündige Staatsbürger“.

Jakob Knab, Kaufbeuren

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