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Rainald Goetz' "Jeff Koons" in BerlinIm Hallraum mit Meese

Kommentar von Henrike Thomsen

Angela Richter inszeniert "Jeff Koons" von Rainald Goetz in Berlin: Kaum ein anderes Theaterstück bringt den Hype um die Kunst so gut auf den Punkt.

Für die Neuinszenierung von "Jeff Koons" jetzt im Berliner Hebbel am Ufer (HAU) ist der Buzz garantiert Bild: hau

Wir verabredeten uns um zehn vor acht vor der Galerie, und als ich diesmal ankam, wurde der Künstler, der mit meesemäßig goldenem Haar im Innenhof stand, gerade von einem echten Fotografen fotografiert, es blitzte andywarholhaft, und jetzt war auch der Buzz zu spüren… Ein Heiner Bastian rief: Wim, wir gehen da rein jetzt!, und der so angesprochene Wim war der Wenders und rief laut auf Amerikanisch: Ill see you later." Das notierte Rainald Goetz vor knapp einem Jahr in seinem Blog "Klage" bei Vanity Fair-Online und eine gewisse Wehmütigkeit ergreift den Fan, der die Anklänge an "Jeff Koons" wohl versteht.

Zehn Jahre ist es her, dass das erfolgreichste Theaterstück des Autors von "Irre" und "Abfall für alle" erschienen ist. "Jeff Koons" ist eine grandiose Collage von Situationen, Diskussionen, Gedanken und Gefühlen bei Ausstellungseröffnungen und mit Kunst durchgebrachten Nächten. (Keine Angst, es gibt also auch Sex und Drogen.) Man wundert sich, dass es angesichts des neuen Hypes um Gegenwartskünstler nicht überall gespielt wird. Stattdessen findet man nur den tapferen alten Jürgen Holtz mit Goetz Monolog "Katarakt" ab und an im Berliner Ensemble.

Für die Neuinszenierung von "Jeff Koons" jetzt im Berliner Hebbel am Ufer (HAU) ist der Buzz aber garantiert: Die Regisseurin Angela Richter, Jahrgang 1972, ist Leiterin des angesagten Hamburger Off-Theaters "Fleetstreet" und sowohl im Theater als auch in Musik und bildender Kunst bestens vernetzt. Seit der Gründung der gemeinsamen Künstlergruppe "Akademie Isotrop" 1995 arbeitet sie mit Jonathan Meese zusammen, der mehrfach Bühnenbilder für sie entworfen hat. Das "Fleetstreet"-Ensemble listet einen weiteren "Superstar" der jungen deutschen Kunstszene: Daniel Richter, Maler und Gatte der Intendantin. Von dem befreundeten Sänger der Goldenen Zitronen, Schorsch Kamerun, musste Angela Richter dagegen zuerst Spott für ihr besonderes Interesse an der Bühne erdulden.

"Ich kam mir damals wie die Einzige in der Hamburger linken Szene vor, die Theater machen wollte", erinnert sie sich im Gespräch kurz vor der Premiere. In den frühen Neunzigern steckten die Karrieren von Christoph Schlingensief und Frank Castorf, die das Image des Theaters radikal ändern und die Arbeit öffnen sollten, noch in den Anfängen. Heute ist Schorsch Kamerun längst selbst ein Grenzgänger, der an der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz, am Deutschen Schauspielhaus Hamburg und anderen großen Häusern inszeniert.

Ursprünglich hatte Meese auch für "Jeff Koons" das Bühnenbild entwerfen sollen, doch jetzt bildet er vielmehr den "Hallraum" der Inszenierung. Was damit gemeint ist, zeigt sich bei einem Probenbesuch am Mittwochnachmittag. Eine Schauspielerin gibt einen so lieb wie nervig plappernden Künstler. Dabei sieht sie einem gewissen Typen mit strubbelig langem Haar und schwarzer Adidas-Trainingsjacke verdächtig ähnlich. Das Bühnenbild, es stammt wie die Kostüme von Steffi Bruhn, ist in diesem späteren Teil des Abends eine begehbare Installation: ein großer weißer Plastiksack, der sich nach hinten verjüngt und den Charme eines riesigen Dickdarms versprüht. Peristaltischer Rhythmus war freilich sowohl bei Goetz als auch bei Meese stets angesagt: Jeder übt sich auf seine Weise im Wiederkäuen von Phrasen und Formen, das Ergebnis ist ein eher formloser Brei, aus dem sich jeder, der es aushält, seins picken kann.

Doch trotz der starken atmosphärischen Präsenz des Bühnenbilds vernachlässigt Angela Richter das Eigentliche des Theaters nicht: das Spielen. Unermüdlich übersetzt sie den irrlichternden Stücktext in konkrete Ideen und Gefühle, mit denen die Schauspieler etwas anfangen können. Wer ihr zuhört und sie beobachtet, wie sie lebhaft und energisch die Proben leitet, wie sie als Vordenkerin diesen kollektiven geistigen Suchprozess anführt, der käme nicht auf den Gedanken, sie mit Melancholie zu verbinden.

Tatsächlich aber war die Auseinandersetzung damit stets wichtig für ihre Arbeit. Bei ihrer Inszenierung von Tschechows "Kirschgarten" im Dezember in Hamburg hatte sie ursprünglich ihren Lieblingsautor F. Scott Fitzgerald integrieren wollen. Daraus wurde nichts, doch die Nähe zu Fitzgeralds Kosmos bleibt. Mit Hyperaktivität gegen das Gefühl innerer Lähmung, mit Glamour gegen die Ungewissheit der eigenen Identität, mit Konsumkult und Drogen gegen die Leere - dieses Lebensgefühl aus dem "Großen Gatsby" und "Zärtlich ist die Nacht" prägt auch "Jeff Koons".

Melancholie ist für die Angela Richter ein Gefühl, "das einem nicht erlaubt, sich etwas vorzumachen, das den Blick schärft. Man kann dann bestimmte Sachen nicht mehr ignorieren." Zum Beispiel, wenn Künstler scheitern. Jonathan Meese hat es trotz seines riesigen äußerlichen Erfolgs vielleicht bald vor sich (die kritischen Stimmen mehren sich), Rainald Goetz hat es trotz seines unbestrittenen Erfolgs vielleicht schon hinter sich (da sind die Meinungen geteilt: während sich manche mit seinem Vanity Fair-Blog begnügen, warten taz-Redakteur Dirk Knipphals und andere seit zehn Jahren auf ein neues großes Ding.) Aus den Spannungen macht Angela Richter Theater.

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