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RahlstedtKultur im Bahnhof

Initiative will ungenutzten Bahnhof zum Kulturzentrum machen und öffnet am Samstag schon mal die Türen. Die Bahn hat den Abriss beantragt und will verkaufen.

Kulturmitglieder posieren vor dem Rahlstedter Bahnhof. Dort soll ihr Kulturzentrum entstehen. Bild: Isadora Tast/Körberstiftung

Im Stadtteil Rahlstedt leben mit 86.000 Einwohnern fast so viele Menschen wie in Flensburg, doch es gibt dort weder Theater, noch Kino oder ein Kulturzentrum. Der kürzlich gegründete Verein "Kulturwerk-Rahlstedt" will ein Zeichen setzen und lädt am Samstag zum Theaterabend in das seit vier Jahren leer stehende Bahnhofshaus ein.

"Wir wollen dort einen Kulturbahnhof haben und öffnen schon mal die Türen", sagt Initiativ-Mitglied Vasco Schulz. Ab 11 Uhr wird geputzt, ab 16 Uhr gibt es Kaffee und Kuchen und um 19.30 Uhr führt die Kompanie Meyer & Kowski "Der Umwegmacher" auf, ein Stück über einen Mann, der in Zügen lebt.

Die Besetzung des Bahnhofes ist es aber keine illegale Aktion. Die Räume wurden für einen Tag von der Bahn angemietet. Bis zum Jahr 2004 gab es mal einen städtebaulichen "Rahmenplan", der eben dort einen Kulturbahnhof vorsah, um die Attraktivität des durch die Wohnbebauung dreier ehemaliger Kasernen rasch gewachsenen Stadtteils zu erhöhen. Doch inzwischen ist der Plan in Vergessenheit geraten. Der Bezirk Wandsbek fühlt sich nicht zuständig und der Senat hat kein Interesse, das Gelände zu kaufen. Der Bezirk Wandsbek sei "zu passiv" gewesen, kritisiert SPD-Politiker Ole Thorben Buschhüter. Aus einer kleinen Anfrage von Ende Juli geht hervor, das die Bahntochter DB Services mit einem Investor verhandelt und bereits eine "Vergabeentscheidung" getroffen habe.

Das Urteil

Wo kein Zaun, da kein Hausfriedensbruch. Das hat Folgen:

Auswirkungen könnte das Urteil auf Prozesse gegen AktivistInnen haben, die Verfahren wegen Hausfriedensbruch im Rahmen von Protestaktionen angehängt bekommen haben.

Folgewirkung kann das Urteil auch auf Verfahren wegen des Vorwurfs des Widerstands gegen VollstreckungsbeamtInnen haben: Wo kein Hausfriedensbruch vorlag, kann folgerichtig auch das Sträuben gegen das Vertriebenwerden vom Mövenpick-Gelände kein Widerstand sein.

"Es wird verkauft, es gibt Interessenten, es ist aber noch nichts unterschrieben", sagt DB-Sprecherin Sabine Brunkhorst. Dennoch sei allen Beteiligten bekannt, was die Bahn mit dem Gelände vorhabe. Die Vermietung an die Initiative sei ein "einmaliger Fall". Brunkhorst: "Es läuft ein Antrag beim Eisenbahnbundesamt, das Gebäude abzureißen."

Auch Buschhüter hat davon gehört und hält es für denkbar, dass die Bahn nicht von der Abrissgenehmigung Gebrauch macht, sondern dies dem Investor überlässt. Ohnehin gibt es mit dem knapp 1.000 Quadratmeter-Grundstück ein Problem. Ein nahe gelegener länglicher Streifen kann nicht bebaut werden, weil dort vielleicht eines Tage eine S-Bahn-Trasse verläuft.

All dies schreckt die Kulturwerk-Leute, die für ihre Idee 10.000 Euro von der Körber-Stiftung erhielten, nicht ab. Zunächst einmal kann es mit dem Abriss und neuer S-Bahn noch lange dauern, und auch mit einem Investor könne man zusammenarbeiten. "Wir dokumentieren mit unserer Aktion, dass wir als Verein bereit sind, hier ein Kulturangebot zu organisieren", sagt der Vorsitzende Tobias Gohlis. "Wenn es nicht im Bahnhof sein kann, brauchen wir eben woanders eine Alternative."

Es wäre schade, wenn das einzige historische Gebäude dem Konsum unterworfen würde. Die Rahlstedter Landbevölkerung hatte der Bahn 1893 Grundstück und 14.000 Goldmark für den Bahnhofsbau geschenkt. Gohlis: "Daraus ergibt sich eine moralische Verantwortung, an die sich jetzt keiner erinnern will."

Buschhüter hatte das 2008 in einer Anfrage erwähnt und gefragt, welche Bedeutung dies für den beabsichtigen Verkauf habe. Antwort des Senats: "Nach Auskunft der DB AG: Keine."

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