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Raffaele Fitto für neue EU-KommissionMachtpoker um Melonis Mann in Brüssel

Die Nominierung Raffale Fittos für die neue EU-Kommission sorgt für Streit. Grüne und Sozialdemokraten wollen ihn nicht als Vizepräsidenten.

Ist sehr umstritten: Italienischer Minister Raffaele Fitto Foto: Luigi Mistrulli/IPA via ZUMA Press/dpa

Brüssel taz | Dicke Luft im Europaparlament: Die großen, proeuropäischen Fraktionen haben sich über die Kandidaten für die neue EU-Kommission zerstritten. Ursprünglich sollten die letzten der 26 designierten Kommissare bereits am Dienstag grünes Licht aus dem Parlament bekommen. Doch noch während der letzten Anhörungen brach heftiger Streit aus.

Nun wackelt der Zeitplan für den Start des neuen Teams von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU). Sogar die „Von-der-Leyen-Koalition“ aus Konservativen, Sozialdemokraten, Liberalen und Grünen bröckelt. Sie hatte sich nach der Europawahl konstituiert und sollte Mehrheiten ohne die erstarkten Rechtsparteien sichern.

Ausgerechnet an diesem Ziel droht die große Koalition zu scheitern. Die Sozialdemokraten werfen den Konservativen um Manfred Weber (CSU) vor, die „historische proeuropäische Mehrheit“ im Parlament zu gefährden und mit rechten EU-Gegnern zu paktieren. Die „Zukunft Europas“ stehe auf dem Spiel, warnen die Genossen.

Entzündet hat sich der Streit an Raffaele Fitto. Von der Leyen will den Kandidaten der postfaschistischen italienischen Regierungschefin Giorgia Meloni zum „exekutiven“ Vizepräsidenten machen und ihm die milliardenschweren EU-Regionalfonds anvertrauen. Die harte Rechte hätte damit einen Chefposten in Brüssel – eine Premiere.

Fitto weist alle Vorwürfe zurück

Dagegen laufen die Mitte-links-Parteien Sturm. Bei der Anhörung am Dienstag warfen sie Fitto vor, dass er sich nicht von deren Fratelli d’Italia distanziert habe und den Rechtsstaat infrage stelle. Dieser wies alle Vorwürfe zurück. Doch Sozialdemokraten und Grüne wollen ihn nicht mittragen – jedenfalls nicht als Vizepräsidenten. „Der designierte Kommissar hat in der Vergangenheit immer wieder bewiesen, dass er kein Verfechter europäischer Werte ist“, sagte Terry Reintke, Ko-Vorsitzende der Grünen-Fraktion. Die Sozialdemokraten wollen, dass ihm der Titel entzogen wird.

Dazu ist die konservative Europäische Volkspartei EVP, der auch von der Leyen angehört, jedoch nicht bereit. Sie drohte, auch der spanischen Sozialistin Teresa Ribera das Vertrauen zu entziehen. Bei ihrer Anhörung wurde Ribera immer wieder von konservativen und rechten Politikerin unterbrochen und provoziert.

Die konservative spanische Partido Popular (PP), die der EVP angehört, aber auch der rechtsextreme Vox versuchen, der spanischen Umweltministerin die Schuld für die verheerenden Überschwemmungen in Valencia in die Schuhe zu schieben. Zuständig für den Katas­trophenschutz ist jedoch die Regionalregierung, die vom PP geführt wird.

Ergebnis des Parteienstreits in Madrid: Chaos in Brüssel. Die am Dienstag geplante Bestätigung der Vizepräsidenten wurde vertagt, die Parteien suchen nun eine „Paketlösung“. Dabei würde auch über vier weitere angehende Vizepräsidenten sowie den umstrittenen ungarischen Kandidaten Olivér Várhelyi entschieden. Allerdings ist unklar, wie und wann der Streit gelöst werden kann. Ursprünglich war von Mittwoch die Rede, nun wurde die Entscheidung auf kommenden Montag vertagt. Die Liberalen warfen den Streithähnen ein „unverantwortliches Verhalten“ vor und forderten von der Leyen auf, sich einzuschalten.

Doch die zögert. Wenn sie Fitto aus dem Rennen nimmt oder seine Kompetenzen beschneidet, riskiert sie nicht nur Ärger mit Meloni, sondern auch mit deren Partei der Europäischen Konservativen und Reformen (EKR). Die EKR wird aber noch als Mehrheitsbeschafferin im Parlament gebraucht.

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1 Kommentar

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  • "Die EKR wird aber noch als Mehrheitsbeschafferin im Parlament gebraucht." Vom wem und wofür?! EVP, S&D und Renew haben bereits eine solide Mehrheit, erst recht mit den Grünen.

    Aber der politische Kurs der EVP mit M.Weber und v.d.Leyen an der Spitze zielt offenbar darauf ab, lästig gewordene ehemalige Politikpartner zugunsten von "Post"-Faschisten loszuwerden und die EU grundlegend umzugestalten.