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Räumung aus Prinzip

■ Polizei räumte ein seit sieben Jahren besetztes Haus in Friedrichshain

Die besetzten Hausteile in der Niederbarnimstr. 23 in Friedrichshain sind gestern morgen von zwei Hundertschaften der Polizei geräumt worden. Die Räumung verlief nach Angaben von Polizeisprecher Keyser gewaltfrei. 24 Personen seien in dem Haus angetroffen worden. Zwei der Bewohner seien zur „ausländerrechtlichen Überprüfung weitergegeben“ worden. Keyser ging davon aus, daß die Geräumten „wegen ihres jungen Alters noch Eltern haben und somit nicht obdachlos“ sind. In dem Haus wohnten vorwiegend junge AusländerInnen.

Die Wohnungsbaugesellschaft Friedrichshain (WBF), der das Haus gehört, hatte nach Polizeiangaben die Räumung mit anstehenden Sanierungsarbeiten begründet. Diese könnten nicht durchgeführt werden, da die Bewohner den Zutritt zum Haus verweigert hätten. Ende April hatte Innensenator Jörg Schönbohm (CDU) auf Nachfrage erklärt, es lägen zur Zeit keine Räumungsanträge vor. WBF-Sprecherin Birgit Stötzer betonte hingegen, der Räumungsantrag sei bereits Ende 1996 gestellt worden. Nun soll zunächst die Bausubstanz der Gebäude geprüft werden, erklärte Stötzer. Die Sanierung stehe nicht unmittelbar bevor. Genau dies setzt die sogenannte Berliner Linie des Senats bei einer Hausräumung aber voraus.

Die Friedrichhainer PDS- StadträtInnen Martina Albinus und Dieter Hildebrand bezeichneten die Räumung als „provokatorische Mißachtung demokratischer Entscheidungen“. Im September 1996 hatte die BVV vom Senat ein Räumungsmoratorium gefordert. Eine Arbeitsgruppe des Bezirksamts bemüht sich seither um Lösungen für vertragslose Häuser. Zwei besetzte Häuser konnten seither in Absprache mit den BewohnerInnen von Genossenschaften gekauft werden.

Schönbohm kündigte unterdessen an, „das rechtliche Instrumentarium zur Beendigung von Hausbesetzungen auszuschöpfen“. Ein am gestrigen Einsatz beteiligter Polizist wurde konkreter: „Die Räumung hier war harmlos. Heftiger wird es in der Colbe- und der Pfarrstraße.“

In der Lichtenberger Pfarrstraße und in der Friedrichshainer Colbestraße gibt es noch ebenfalls seit 1990 besetzte Häuser, die sich um eine vertragliche Lösung bemühen. Die Bewohner der Colbe-/ Scharnweberstraße erarbeiteten zusammen mit dem Sanierungsträger LIST ein Sanierungskonzept. Der Eigentümer habe dazu allerdings nicht Stellung bezogen, so LIST-Mitarbeiterin Britta Liebscher. Bei der ebenfalls besetzten Rigaer Str. 80 habe es, so Liebscher, erste Annäherungen zwischen Eigentümer und BesetzerInnen gegeben. Die Ergebnisse seien aber zur Zeit sehr fragil. Von keiner Seite dürfe unbedacht eingegriffen werden, forderte Liebscher. Für eine friedliche Lösung müßten sich alle Parteien, auch Senatsvertreter, an einen Tisch setzen. Gereon Asmuth

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