Räume zum Sammeln und Streiten

■ „Architektonische Präsenz“ fehlt dem Bremer Täter-Opfer-Ausgleich bislang / Architekturstudenten wissen Abhilfe

Der Täter-Opfer-Ausgleich (TOA) führt ein Hinterzimmer-Dasein. In 13 Bürgerhäusern und Gemeindezentren versuchen Leiter Frank Winter und seine MitarbeiterInnen zwischen zwei streitenden Parteien zu schlichten.

„Wo finde ich den Täter-Opfer-Ausgleich in Bremen, woran erkenne ich TOA“, fragt sich Florian Theis. Theis wüßte, wie es geht: Mit fünf KommilitonInnen hat der Architekturstudent gestern Entwürfe vorgestellt, die dem Täter-Opfer-Ausgleich „gerecht werden sollen“, so Projekt-Betreuerin Katrin Schuh.

Drei Aspekte waren für die Studenten zentral: Wie sollen sich die dezentralen Einrichtungen im Stadtgebiet verteilen? Wie können die Gebäude aussehen, und dabei klar machen: hier ist das TOA? Und wie kann die Architektur „schlichtungsfördernd“ für die Beteiligten gestaltet sein? 14 Tage hatten die Studenten des Instituts für Architektur und Entwerfen in Hannover Zeit. „Brainstorming“ war angesagt, erklärt Schuh.

Student Jens Gebhardt stellt sich zum Beispiel eine „Schlichtungsbox“ vor, die man an allen möglichen Orten der Stadt aufstellen könnte. Sie ist rot, auffallend und garantiert einen hohen Wiedererkennungseffekt. Fenster hat sein Quader keine. Nur eine Tür gibt es. Schließlich sollen die Diskutanten nicht vom Trubel der Straße abgelenkt werden. So ein „Tankstellenkonzept“ lehnt Theis allerdings ab. Er orientiert sich an den traditionellen Orten des TOA: Bürgerhaus und Gemeindezentren. Denn die sind neutral, sowohl für Täter und Opfer, und senken für beide Beteiligten die Hemmschwelle.

Auch von Innen haben die StudentInnen alles auf Schlichtungsgespräche zugeschnitten. Die Beteiligten sollen hier in sich kehren können. In einem Entwurf soll im Warteraum fließendes Wasser zur Besinnung einladen. Treppen zum Gesprächsraum symbolisieren anderswo den schweren Aufstieg zum Ausgleich.

Durch derlei schlichtungsfördernde Gestaltungen soll sich der Gesprächsort klar von der Alltagswelt abheben, Distanz zum Fall herstellen. TOA führt Einzelgespräche mit den Tätern und mit den Opfern, bringt beide Parteien – wenn möglich – zusammen. Eine große Chance für beide. Die Opfer erscheinen nicht nur als „Beweismaterial“ im Gericht, sondern können hier ihren Ärger ausdrücken. Jugendliche Täter können sich der Tat stellen, sie wieder gut machen. Eine solche Lösung kann oft ganz ohne Gerichtsverfahen verhandelt werden.

Für TOA-Leiter Winter sind die Architekturmodelle interessant. Aber erstmal „Utopie“. Was ihm fehlt ist das nötige Kleingeld. 280.000 Mark pro Jahr reichten nicht aus, acht Diplompsychologen vollzeit zu beschäftigen, klagt Winter. 17 studentische oder ehrenamtliche MitarbeiterInnen helfen aus. TOA ist in den letzten Jahren deutlich gewachsen: Allein 350 neue Fälle mit 800 Beteiligten seien in diesem Jahr dazugekommen. Bundesweit nimmt Bremen eine Vorreiter-Rolle im Schlichtungsverfahren ein.

Die Gebäude der Justiz hätten die Städte deutlich geprägt, erläutert Katrin Schuh. Architektonische Präsenz stünde jetzt auch dem TOA an, sagt sie. Denn auch der TOA habe klare Spuren hinterlassen. dok