Radiofeature im Deutschlandfunk: Viele offene Fragen
Der ehemalige liberianische Präsident Charles Taylor beging Kriegsverbrechen in seinem Land. Sein Prozess ist bis heute umstritten.
Er gilt als einer der schlimmste Kriegstreiber Afrikas: Liberias Ex-Präsident Charles Taylor ist verantwortlich für zahlreiche Massenmorde, Vergewaltigungen und die Rekrutierung von Kindersoldaten während des Bürgerkrieges in den 90er Jahren. Fünfzig Jahre Haft lautet das 2012 gefällte Urteil des internationalen Sondergerichts in Sierra Leone - jedoch nicht für die Verbrechen im eigenen Land, sondern für Beihilfe am Bürgerkrieg in Sierra Leone von 1991 bis 2002.
Zwar ist unbestritten, dass Taylor auch für die verübten Gräueltaten im Nachbarland verantwortlich ist. Dennoch wirft das Urteil Fragen auf: Wie kann es sein, dass ein Gericht, das eigentlich die Hauptverantwortlichen anklagen will, jemanden anklagt, der „nur" Beihilfe geleistet hat? Im SWR-Radiofeature: „Kriegsverbrechen im falschen Krieg - der Fall Charles Taylor" begibt sich David Hecht mit einer aufwendigen Recherche auf die Suche nach Antworten.
Dabei ist Hecht selbst Teil der Geschichte: Der Journalist und ehemalige UNO-Mitarbeiter war 2002 am Aufbau des Sondergerichts in Sierra Leone beteiligt und als erster Pressesprecher war er dafür verantwortlich, das neue Gericht nach außen zu verteidigen. In der Öffentlichkeit warb er für dessen Unabhängigkeit. Zehn Jahre später fragt er sich nun: Diente das Gericht nicht vielmehr politischen Zielen statt der Wahrheitsfindung?
Ein Richter, dem das Wort verboten wird
„Kriegsverbrecher im falschen Krieg - Der Fall Charles Taylor“, Samstag, 12. Juli, 18.05 Uhr, Deutschlandfunk.
Hecht führt die Zuhörer in den Gerichtssaal, zeigt Mitschnitte der Ankläger, der Richter, des Verteidigers und Taylor selbst. Eine entscheidende Beobachtung stammt von einem der wenigen Zeugen, der während der erstinstanzlichen Verurteilung im April 2012 zugegen war: Kurz bevor die Verhandlung geschlossen wurde, stellte einer der vier Richter das gefällte Urteil in Frage - und somit die Glaubwürdigkeit des fünfjährigen Prozesses.
Doch während er spricht, wird ihm das Mikrofon ausgeschaltet, seine Aussage wird vertuscht. In wessen Interesse? Die Frage führt Hecht in die USA, wo er den Beziehungen des liberianische Kriegsverbrechers zu seinen amerikanischen Anklägern auf den Grund geht und dabei auf bedeutungsvolle Zusammenhänge stößt.
Als Zuhörer hat man schnell das Gefühl, einer Verschwörungsgeschichte hinterher zu sein, deren Spur man jedoch immer wieder zu verlieren droht. Es fallen zahlreiche Namen mit unterschiedlichen Stimmen, verschiedene Handlungsstränge werden aufgerollt.
Das Feature fordert rund fünfzig Minuten hochkonzentriertes Zuhören und selbst dann bleibt die Geschichte äußerst komplex. Die Zuhörer würden Hecht mehr Pausen danken, die ein Reflektieren ermöglichen. Es hätte dem Feature auch nichts abgetragen, bei manchen Interviews weniger ins Detail zu gehen oder einen Handlungsstrang ruhen zu lassen. Der wertvolle Inhalt macht dieses Feature dennoch durchaus empfehlenswert - als Wiederholung zum Glück auch als Podcast zu finden.
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