Radio Hafenstraße: Dont legalize it!

■ Radio Hafenstraße, die Perle unter Hamburgs Sendern, muß ein Piratensender bleiben / „Über der Hafenstraße lacht der Himmel, über Dohnanyi ganz Hamburg“, tönt es aus dem Äther / Der Sender liebäugelt mit einer Legalisierung mittels Lizens

Aus Hamburg Petra Bornhöft

Verzweifelt drehten gestern morgen etliche Menschen am Knopf ihrer Radios. „Scheiße“, knurrte der Redakteur einer Zeitung, „die senden nicht mehr“. Entsetzte Mienen bei herbeigeeilten Kolleginnen. Bei 96,8 Megahertz rauschte und knatterte der Apparat - dicht daneben erklang „La Paloma“, gnadenlos. Gewißheit erbrachte ein Anruf im Hafen, dort wo seit vierzehn Tagen „Radio Hafenstraße“ am besten zu hören war. Der Sender habe seine Tätigkeit auf eigene Initiative hin am Morgen eingestellt. Aber, so war zu hören, es werde überlegt, eine Lizenz zu beantragen. Das stieß und stößt auf schärfste Ablehnung im Kreise der Redaktion. „Der Sender muß bleiben, wie er war.“ Unumstritten hat sich Radio Hafenstraße zur Perle unter den Hamburger Medien entwickelt. Das geben selbst Leute zu, die sich durch die anfängliche Dominanz der Punkmusik reichlich genervt fühlten. Bald schon freuten sich Alt–68er über restlos aus der Mode gekommene Arbeiterlieder und Musik aus der Dritten Welt. Nachrichten hielten die Sprecher kurz und knapp: „In Rahlstedt setzt sich eine Hundertschaft in Bewegung.“ Musikalischer Kommentar mit Ernst Busch: „Arbeiter, Bauern, nehmt die Gewehre zur Hand!“ Entsprach das Verhältnis von Wort– und Musikbeiträgen bislang zunächst 5 :95, so mehrten sich schon nach kurzer Zeit Gastkommentare, Reportagen, Berichte. Radio Hafenstraße arbeitet sozusagen profihaft, ohne der Langeweile eine Chance zu geben. Eine Live–Reportage aus der (verbotenen) Demonstration über rascht die Post: „Die müssen sogar eine Funkstrecke haben“, heißt es fast anerkennend. Politisch machen die SprecherInnen keine Verbeugung vor wem auch immer. „Über der Hafenstraße lacht der Himmel, über Dohnanyi ganz Hamburg“, höhnte es in der letzten Woche. Versöhnlich gestimmt erkor der Sender nach des Bürgermeisters letztem Ultimatum den Regierungschef zum „Genossen“. Gegenüber den HörerInnen pflegt man ein freundlich–offenes Verhältnis. Als sich Studenten darüber beschwert hatten, daß ihre Erklärung zur solidarischen Uni– Besetzung nicht verlesen worden sei, beschied Radio Hafenstraße öffentlich: „Die ist verlesen. Und jetzt finden wir den Zettel nicht mehr in diesem Chaos. Damit ist die Beschwerde abgelehnt.“ Praktische Bedeutung erhielten die Piraten insbesondere bei der materiellen Versorgung der hungrigen und frierenden UnterstützerInnen. Kaum war um T–shirts, Pullover und Essen“ gebeten worden, trudelten in der Volxküche Gemüsekisten und beim Info–Cafe Plastiktüten mit wärmenden Klamotten ein. Politisch hält man selbstverständlich an der Revolution fest. Während des Abbaus der Straßensperren seufzt ein Sprecher: „Die schönen, schönen Barrikaden!“ Wenig später: „Also, es tut uns auch leid, daß da unten so ne Scheißarbeit gemacht werden muß. Aber denkt dran, für die Revolution gilt: sie war, sie ist, sie wird sein.“ Daß der illegale Sender gestern morgen in Hamburgs Untergrund verschwand, ist verständlich. Es wäre unwahrscheinlich, daß die Beamten während ihrer Inspektion des Abbaus der inneren Befestigungsanlagen die Anlagen des „Volksempfängers“ mit einer Kaffeemaschine verwechseln. Aber den Gedanken an eine Legalisierung mittels Lizenz sollte der „Hafen“ dringend fallen lassen. Das bunte Programm der letzten Tage wird sich nur aufrechthalten lassen, wenn der Piratensender auch einer bleibt.