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Radio-GeburtstagDie Revolution fiel aus

Motor FM wollte die Berliner Radioszene aufmischen und Geld mit einem neuen Konzept verdienen - ohne Werbung. Nach fünf Jahren hat man solche Flausen abgelegt.

Klampfen raus! Motor FM wird fünf. Bild: AP

Das erste Lied der Radiorevolution war "Wir haben einen Auftrag" von der Punkband Trend, gespielt am 5. Februar 2005 um 18.48 Uhr. 1848 war das Jahr der Märzrevolution. 2005 sollte das Jahr von Motor FM sein. Die Gründer des Senders hatten nicht nur eine Frequenz, sondern einen Auftrag: "Wir nutzen die analoge Realität, um die digitale Zukunft anzuschieben."

Peter Lattermann, der Gitarrist der Band Trend, hat die Zeilen geschrieben, die der Radiosender zu seiner Hymne erklärt hat. Lattermann ist 36, ein Punkmusiker aus der Südpfalz, der in Berlin lebt. Er erfüllt damit alle Kriterien für die Zielgruppe von Motor FM: Kreative zwischen 20 und 40. Peter Lattermann hat die Frequenz 100,6 vor ein paar Wochen das letzte Mal eingeschaltet, als ein Interview mit einer befreundeten Band gesendet wurde. Eigentlich hört er den Sender nicht, er hört die Konkurrenz. "Am Anfang fand ich Motor FM echt spannend", sagt er. "Das war genau die Musik, die ich mochte." Independent und Alternative Rock, eher unbekannte Gruppen, ein bisschen Punk, 50 Prozent Neuerscheinungen. Musik, die zu dieser Zeit kaum im Radio lief, auch nicht in Berlin.

Aber nach einiger Zeit fing der Sender an, Werbung zu bringen und mehr Sprechanteil. "Das Redaktionelle ist dort leider immer noch ein bisschen schülerzeitungsmäßig", sagt Lattermann. Der Gitarrist hört gern Radio, er schaltet auch bei Motor FM immer mal wieder rein. "Aber heute klingt die Musik immer mehr wie eine sich sehr ähnliche Masse", findet er.

Vielleicht, sagt Lattermann, habe das aber auch mit den Entwicklungen in der Alternative-Rock-Szene zu tun. "Früher konnte man ziemlich klar sagen, die klingen nach Chicago, die klingen nach New York, weil sich Gruppen über ihr Umfeld orientiert haben. Heute kann man sich über MySpace an allem orientieren." Lattermann gehört möglicherweise doch nicht zur Zielgruppe von Motor FM. Er besitzt nur Schallplatten, keine CDs und MP3s schon gar nicht. Und es ist ja genau die digitale Zukunft, auf die Motor FM zielen wollte.

Als die Ex-MTV-Managerin Mona Rübsamen, der Musiker Markus Kühn und der ehemalige Chef der Plattenfirma Universal Deutschland, Tim Renner, 2004 den Privatsender gründeten, hatten sie drei Ziele: ein relevantes Privatradio, das nicht nur nebenherdudelt. Ein Radio, das die Musik spielt, die sie mochten. Und ein Radio, "das neue Medien integriert und nicht mit ihnen konkurriert". Es war der dritte Punkt, dessentwegen Motor FM auch überregional Aufmerksamkeit bekam. Die Gründer wollten ein neues Finanzierungskonzept ausprobieren und online MP3 verkaufen.

Motor FM ist ein Privatsender, der sein Geld selbst verdienen muss. Aber Werbeblöcke kamen für die Gründer, die bis Februar 2006 nur elf Stunden täglich sendeten, anfangs nicht infrage. "Wir wollen eure Werbung nicht", hatte Tim Renner zu Beginn gesagt. Gemeint waren damit jedoch nur klassische Werbeblocks. Sponsoring, etwa eine Serie zu Schuhen und elektronischer Musik in Kooperation mit dem Sportartikelhersteller Puma, deckten von Anfang an die Festkosten.

Renners Idee war, das Radio könne zugleich der Plattenladen der digitalen Generation sein. Wer Motor FM online hört, sieht direkt auf der Seite die Liste der abgespielten Lieder. Neben jedem Musiker und Liedtitel ist ein kleiner Einkaufswagen abgebildet. Von dort kommt man zur Verkaufsseite, wo man sich die MP3 herunterladen und online bezahlen kann. Ein Titel kostet etwa 1,20 Euro, Motor FM verdient daran ungefähr einen halben bis einen Cent.

Um den Sender zu finanzieren, reicht das nicht. "Es ist mittlerweile mehr ein Serviceangebot für unsere Hörer", sagt Programmchefin Mona Rübsamen. Die Downloads machen nur 1 Prozent des Umsatzes aus. 45 Prozent erzielt der Sender durch die Sonderwerbeformen, 9 Prozent kommen aus Events, die der Sender organisiert. Und 45 Prozent des Umsatzes kommen mittlerweile aus klassischen Werbeblöcken.

Viele Hörer waren entsetzt angesichts der Werbung. Mona Rübsamen hat aber auch andere Rückmeldungen bekommen, in denen Hörer schreiben: Gut, ich hatte mir schon Sorgen gemacht, wie lange es euch noch gibt. Rübsamen: "Wir haben 2005 einfach angefangen, viele hatten andere Jobs nebenbei, und wir hatten nicht damit kalkuliert, dass wir mal ein Vollprogramm mit Kulturberichterstattung und festen Arbeitsplätzen für erwachsene Menschen haben könnten." Weil das aber seit 2007 so sei, müsse man Kompromisse machen.

Den Quoten nach hören Motor FM heute durchschnittlich 20.000 Hörer pro Stunde. "Wir sind gerade auf dem Weg dahin, dass nicht nur Leute, die bewusst einschalten, Motor FM hören, sondern auch Leute beim Durchschalten hängen bleiben", sagt Rübsamen. Allerdings traue man den Quoten immer noch nicht, diese Einstellung habe sich in fünf Jahren nicht verändert. Neu ist nur, dass die Programmchefin die Listen überhaupt liest.

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2 Kommentare

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  • C
    Carsten

    Liebe taz, wie Lil schon sagt: Einfach mal selbst reinhören, dann klappts auch mit dr Berichterstattung. Wortbeiträge auf Schülerniveau, soso, das weiß jemand aber ganz genau bescheid.

  • LS
    Liliane Steffens

    Ihren Kommentar hier Hallo taz, habe gerade den Artikel zu Motor FM in gedruckten Ausgabe gelesen und bin erstaunt. Ich empfehle schwer, mal wieder reinzuhören. Bei se wei, Winson ist kein Morgenmoderator, wie in der Bildunterschrift zu lesen ist, die Musikauswahl hat sich nicht verändert und das Wortprogramm ist gerade in einer Studie als das qualitativ hochwertigste Berlin bewertet worden, wie neulich zu lesen war. Also, einfach mal ein eigenes Bild machen! Ciao, Lil