: Radio 100: Angst vor „Verlegerfunk“
■ Berlin: Steigt statt SPD-Funk nun der 'Tagesspiegel‘ ein?
West-Berlin (taz) - Nach den Nachrichtensprechern wenden sich nun auch große Teile der Belegschaft des unabhängigen linksalternativen Privatsenders „Radio 100“ gegen einen Verkauf von Anteilen an westdeutsche Verleger und die damit befürchtete tiefgreifende Einflußnahme auf Programm und Struktur des Senders. Auf dem Spiel stünden eine in drei Jahren gewachsene Konzeption und damit das Profil und die Unverwechselbarkeit des Senders, heißt es in einer Erklärung der Radio-100-MitarbeiterInnen. Der bislang parteipolitisch und konzernunabhängige private Lokalsender, der sich in seinem minderheiten- und zielgruppenorientierten Programm keiner Ausgewogenheit verpflichtet fühlt, verhandelt (wie berichtet) mit der Kommerzfunk-Holding „LR“ Lokal- und Regionalfunk KG - überwiegend im Besitz der SPD - sowie dem Süddeutschen Verlag, der bereits Anteile beim Münchner Stadtsender „Radio Gong 2000“ und am landesweiten Radio „Antenne Bayern“ hält. Mit dem Einstieg bei Radio 100 hätte die verlagseigene 'Süddeutsche Zeitung‘ ein zusätzliches Medienstandbein in der zukünftigen Hauptstadt - ein Berliner Lokalteil wird bereits vorbereitet. Am Dienstag letzter Woche zog der LR sein Angebot jedoch überraschend zurück. Jetzt wird mit dem Süddeutschem Verlag und, unbestätigten Informationen zufolge, auch mit dem Berliner 'Tagesspiegel‘ um eine 49prozentige Anteilsübernahme verhandelt.
Für die Radio-100-MitarbeiterInnen habe sich im Verlaufe der Verhandlungen mit dem LR gezeigt, daß nur eine Minderheit innerhalb des alternativen Senders die Entwicklung „zum richtigen (Verleger-)Radio gewünscht und betrieben hat“. Die Mehrheit der Beschäftigten will jedoch „diese als Professionalisierung verkaufte politische Umpolung“, die einem Etikettenschwindel gleichkomme, nicht mitmachen. Neben der Sorge um den eigenen Arbeitsplatz und den Verlust der Bereichsautonomie durch die Einführung eines Chefredakteurs steht dabei vor allem die Befürchtung, unter altem Namen von parteipolitischen und Kapital-Interessen gelenkt zu werden: „Linkes Radio und Verlegerfunk lassen sich nicht vereinbaren.“
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