piwik no script img

Radikale im Eishockey

■ Kapitän Kießling will klar Schiff machen / Kanada verlor zum Auftakt der Finalrunde, die UdSSR besiegt Schweden

Bern (dpa) - Radikale Reformen im bundesdeutschen Eishockey werden gefordert, nachdem das Team bei der Weltmeisterschaft in Bern eine reichlich traurige Figur abgab. Kapitän Udo Kießling: „Nach der WM müssen wir klar Schiff machen. So geht's nicht weiter.“

Die Forderungen des 34jährigen Rekordnationalspielers sind nicht neu. Bereits vor Jahresfrist nach der WM in Stockholm, wo die DEB-Auswahl erst im letzten Spiel gegen Polen (2:0) den Klassenerhalt schaffte, hatte er gewarnt. Vergebens. Nach der Stagnation kam der Absturz. Er tut besonders weh, weil man sich, aufgrund weniger „fette Jahre“ (Olympia 1988), etwas vorgemacht hatte.

Alle Beteiligten will Kießling gleich nach der WM an einen Tisch bringen, „damit im Verband und in den Vereinen Schluß ist mit den Mauscheleien und dem Krieg gegeneinander“. Der Kölner Verteidiger, den sein tadelloser Einsatz zur Kritik legitimiert, wurde konkret: Nationalspieler müssen zur WM -Teilnahme gezwungen werden. Kießling: „Meinungsfreiheit und Freizügigkeit ja, aber Eishockey ist unser Beruf. Ausreden sind verboten.“ Eine Reihe von den in Bern anwesenden Spielern dürfen nicht mehr eingeladen werden. Und: Personelle Konsequenzen in der Verbandsspitze sind ebeso unabdingbar wie in den Vereinen. Kießling: „Da laufen zuviele Leute mit Profilneurose herum.“

Der Kapitän will einen „neuen Anfang“. Und mit welchem Trainer? Kießling: „Das war nicht das Problem. Weder Xaver Unsinn noch Erich Kühnhackl sind gravierende Fehler vorzuwerfen.“ Tatsache war aber, daß der Betreuerstab völlig konzeptlos nach Bern gekommen war. Gar der Schlamperei überführt wurden die DEB-Ärzte im „Dopingfall Krupp“, der dem fahrlässigen und sorglosen Verband ein zusätzliches Armutszeugnis ausstellte. Wird das Verbandstreffen am 11. Mai in München zum Reformtag? Ein Schattenkabinett mit dem Kölner Klubchef Heinz Landen als Gegenkandidat zu DEB -Präsident Otto Wanner soll sich schon formiert haben.

Während es im deutschen Lager also ordentlich rumorte, erwischten Titelverteidiger UdSSR und die CSFR zum Auftakt der Finalrunde den besten Start. Die Sowjets setzten sich am Samstag abend vor 10.275 Zuschauern im Allmendstadion von Bern gegen Schweden mit 3:0 durch. Zuvor hatte die Tschechoslowakei überraschend die als Titelfavorit gehandelte und noch unbesiegte Mannschaft aus Kanada mit 3:2 bezwungen. Die beiden knappen Resultate verdeutlichen, daß die vier um die Medaillen spielenden Teams leistungsmäßig nicht weit voneinander entfernt sind. Die Finalrunde wird heute mit den Spielen zwischen der UdSSR und Kanada sowie der CSFR und Schweden fortgesetzt.

Nach nicht zu übersehenden Problemen in der Vorrunde war es ausgerechnet „Legionär“ Sergej Makarow (26. Min.) vorbehalten, mit seinem ersten Tor bei der Weltmeisterschaft den Sieg der Sowjets gegen die Schweden einzuleiten. Als Chomutow (46.) zum 2:0 traf, war die klassearme Partie schon entschieden. Das 3:0 besorgte Christich (53.) nach einem geradezu genialen Spielzug, der an die besten Zeiten des Sowjet-Eishockeys erinnerte.

Am Nachmittag hatte die CSFR die als Titelfavoriten gewetteten kanadischen Profis entzaubert. Nach zunächst 0:2 und dann 1:3 waren die „Ahornblätter“ im Schlußdrittel noch auf 2:3 herangekommen, doch zu mehr reichte es für die schlapp wirkenden Kanadier nicht mehr. Die erste Niederlage des 19fachen Weltmeisters, der souverän mit 13:1 Punkten die Vorrunde als Erster abgeschlossen hatte, war perfekt.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen