: Radikale Linke
■ betr.: "Weitermachen, über die Grenzen hinweg", "Relative Stärke der Sektenexistenz", taz vom 5.6.90
betr.: „Weitermachen, über die Grenzen hinweg“, „Relative Stärke der Sektenexistenz“,
taz vom 5.6.90
Wenn sich die selbst als „radikal“ bezeichnende Deutsche Linke angesichts der epochalen Veränderungen in die Wagenburg der eigenen, angestaubten Ideologie zurückzieht und sich damit selbst jeglicher politischen Handlungsfähigkeit, geschweige denn zukunftsweisenden Vordenkertums beraubt, so ist auch das ein Ergebnis deutscher Geschichte. Leider!
Auf was warten diese selbsternannten „Revolutionäre“ denn eigentlich? Etwa darauf, daß sich das Rad der Geschichte in eine Richtung dreht, die sie wie Phönix aus der Asche als Vorhut der deutschen Arbeiterklasse wieder auferstehen läßt?
So sehr ich die Marxsche Klassenanalyse heute noch als richtig erachte, so wenig bin ich der Ansicht, daß sie ausreicht, auf die Herausforderungen des ausgehenden 20. Jahrhunderts die entsprechenden Antworten zu liefern.
Der von uns allen geschätzte Bert Brecht schrieb in einem Gleichnis über die Fischer der Lofoten:
„Wenn die ganz großen Stürme erwartet werden, geschieht es immer wieder, daß einige Fischer ihre Schaluppen am Strand vertäuen und sich an Land begeben, andere aber eilig in See stechen. Die Schaluppen, wenn überhaupt seetüchtig, sind auf hoher See sicherer als am Strand. Auch bei ganz großen Stürmen sind sie auf hoher See durch die Kunst der Navigation zu retten, selbst bei kleineren Stürmen werden sie am Strand von den Wogen zerschmettert. Für ihre Besitzer beginnt dann ein hartes Leben.“
Dem ist nichts mehr hinzuzufügen.
Jürgen Weidemann, Mitglied der Grünen im KV Rhein-Berg
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